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Keine Tournee für Frauen: Von Schanzengleichheit keine Spur

Statt einer Vierschanzentournee gibts für die Frauen nur eine abgespeckte Zwei-Nächte-Tour

  • Lars Becker
  • Lesedauer: 5 Min.

Als Katharina Althaus nach ihren drei WM-Titel im vergangenen Winter eine Entscheidung über die Fortsetzung ihrer Karriere treffen musste, kam ihr immer wieder die Vierschanzentournee in den Sinn. Eine mögliche Premiere für die Frauen war einer der wichtigsten Gründe, zumindest noch einen Winter dranzuhängen. Jetzt steht für die Männer das größte jährliche Event der Skisprung-Welt bevor und die Frauen schauen wieder in die Röhre. Statt einer Tournee gibt es für die Fliegerinnen nur die »Two-Nights-Tour« mit zwei Springen in Garmisch-Partenkirchen (30. Dezember) und Oberstdorf (1. Januar). Sie absolvieren nur die deutschen Tourneeorte der Männer, in umgekehrter Reihenfolge.

»Die Enttäuschung überwiegt«, sagt die Rekord-Weltmeisterin, die nach ihrer Heirat inzwischen Katharina Schmid heißt. »Natürlich freue ich mich, beim Neujahrsspringen in Oberstdorf endlich wieder daheim antreten zu können. Dass Freunde und Familie dabei sein können, ist schon speziell. Aber es ist eben nur ein kleines Trostpflaster für die Tournee. Ich kann wirklich nicht mehr verstehen, warum es immer noch keine echte Vierschanzentournee für die Frauen gibt.«

Season Trailer - Women's World Cup | FIS Ski Jumping World Cup 23-24

Da geht es ihr wie vielen in der Skisprung-Szene. »Ich mag keine halben Sachen, Alibi-Dinge oder Ersatz-Veranstaltungen«, kritisiert Tournee-Legende Sven Hannawald, der vor 22 Jahren als letzter Deutscher den Skisprung-Grand-Slam gewonnen hat. Für eine komplette Tournee fehlen auch in diesem Winter die beiden Springen auf den prestigeträchtigen Großschanzen in Innsbruck und Bischofshofen. Der Österreichische Skiverband (ÖSV) richtet stattdessen am 3. und 4. Januar zwei Weltcups auf der Kleinschanze in Villach aus.

Austrias Skiverband zum alleinigen Schuldigen für die erneute Verzögerung der Premiere einer Frauen-Vierschanzentournee zu erklären, geht allerdings an der Wahrheit vorbei. Das Ganze ist eine komplizierte Geschichte, die sich kurz zusammenfassen lässt: Vor drei Jahren waren die deutschen Tournee-Veranstalter gegen ein eigenes Frauen-Event und die österreichischen dafür. Jetzt ist es umgekehrt: Der Deutsche Skiverband (DSV) wirbt für die Frauen-Premiere des weltweit größten jährlichen Megaevents im Skispringen, das es für die Männer seit inzwischen über sieben Jahrzehnten gibt. Der ÖSV bremst.

Das hat auch durchaus nachvollziehbare Gründe. Nach der zwischenzeitlichen Absage des DSV hatte man in Österreich mit der Silvestertour mit Villach und dem slowenischen Ljubno eine Art Ersatz-Tournee im Weltcup rund um den Jahreswechsel organisiert. Bei der Premiere im vergangenen Winter war für die Gesamtsiegerin der vier Springen ein beachtliches Preisgeld von 20 000 Schweizer Franken und eine »Goldene Eule« als Pokal ausgelobt. Die Begeisterung hielt sich in Grenzen. »Die größte Verhöhnung der Frauen war die Tour im vergangenen Winter an komplett anderen Orten. Und mit einer Goldenen Eule statt einem Adler als Preis – das war ja schon von der Körperform eine Beleidigung für die Frauen«, schimpft Hannawald.

DSV-Sportdirektor Horst Hüttel hofft, dass es am besten noch in diesem Winter zu einer Einigung mit den Frauen über eine echte Vierschanzentournee kommt. »Es wurden in den letzten Jahren sicher Fehler von beiden Seiten gemacht. Aber wir haben aus unseren Versäumnissen gelernt. Unsere Termine stehen, wir haben jetzt erstmals die beiden deutschen Tournee-Springen im Weltcup. Es fehlt nur noch die andere Seite. Ich weiß, dass man sich in Österreich Gedanken macht und ich hoffe, dass es bald Gespräche geben wird.«

Goldene Eule: Selina Freitag und der wenig schmeichelhafte Pokal, um den in Villach und Lubno gesprungen wird.
Goldene Eule: Selina Freitag und der wenig schmeichelhafte Pokal, um den in Villach und Lubno gesprungen wird.

Dem ÖSV dürfte am Ende nicht viel anderes übrigbleiben, als seine Zustimmung für die Premiere des Skisprung-Grand-Slams für die Frauen zu geben. Der Druck von Seiten der Springerinnen und der Öffentlichkeit wird mit jedem Jahr fehlender »Schanzengleichheit« nämlich immer größer. »Es geht um Gleichberechtigung. Wir durften im vergangenen Winter ja zum ersten Mal Skifliegen, aber die Vierschanzentournee wäre für uns und die Zuschauer schon das große Highlight«, sagt Doppel-Weltmeisterin Selina Freitag. Schon für die »halbe« Tournee in diesem Winter ist das Ticket-Interesse laut Hüttel beachtlich, auch wenn es nicht gleich volle Stadien wie bei den Männern geben werde: »Das muss erst wachsen. Aber beide Springen werden live auf ARD und ZDF im TV zu sehen sein.«

Allerdings gehen die beiden Weltcup-Events zum Jahreswechsel in umgekehrter Reihenfolge zur Männer-Tournee über die Bühne. Genau das ist ein Kritikpunkt des ÖSV, der die Frauen-Vierschanzentournee als »perfektes Produkt« kreieren will. Hüttel zeigt sich gesprächsbereit: »Eine Frauen-Tournee in der gleichen Reihenfolge der Orte wie bei der Männern wäre sicher für die Damen die Ideallösung – auch wenn die Umsetzung logistisch am schwierigsten ist.«

Allerdings werden die Chancen für eine echte Frauen-Vierschanzentournee in der gleichen Reihenfolge der Springen wie bei den Männer besser. Der Auftakt in Oberstdorf und das Finale in Bischofshofen findet inzwischen traditionell unter Flutlicht statt. In Garmisch-Partenkirchen gibt es inzwischen auch künstliches Licht und Innsbruck darf nach langem Ringen auch eine Flutlicht-Anlage bauen. ARD-Experte Hannawald hat deshalb eine Idee, wie sich die Frauen-Vierschanzentournee perfekt einfügen könnte: »Die vier Männer-Springen bei der Tournee könnten in Zukunft durchweg 16.30 Uhr beginnen. Und die Frauen wären davor dran. TV und Zuschauer sind doch sowieso schon da, das wäre die perfekte, nachhaltige Lösung für alle. Dann hätten auch die Frauen eine volle Hütte.«

Die als weiteres Problem vorgeschobenen Quartier-Probleme in den Tournee-Orten wegen des Frauen-Trosses hält nicht nur Hannawald für »Schwachsinn«: »Die Frauen würden für eine echte Tournee von ihren Hotels auch gern länger anreisen – notfalls mit dem Radl.« Die Hoffnung auf eine Einigung auf die erste Frauen-Vierschanzentournee ist nicht nur deshalb allerorten groß: Der Weltverband FIS hält die Termine im Weltcup-Kalender der Frauen für 2024/2025 neben den beiden fixierten deutschen Tournee-Stationen auch für die beiden möglichen österreichischen Tournee-Springen jedenfalls vorerst frei.

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