Haushalt 2024: Aufrüstung statt Bevölkerungsschutz

Bislang sind im Bundeshaushalt 2024 weiter Kürzungen bei ziviler Sicherheit und Katastrophenhilfe vorgesehen

Eine zentrale Übersicht über noch oder wieder funktionstüchtige Sirenen soll laut Bundesregierung erst 2024 fertiggestellt werden
Eine zentrale Übersicht über noch oder wieder funktionstüchtige Sirenen soll laut Bundesregierung erst 2024 fertiggestellt werden

Der Bundeshaushalt 2024 wird ein Kürzungshaushalt, auch im Katastrophenschutz. Daran ändert die Tatsache nichts, dass die entsprechenden Etats eventuell weniger eingedampft werden als im ersten Entwurf der Ampel-Koalition vom vergangenen Juni vorgesehen. Zugleich betreffen die Kürzungen vor allem die Mehrheit der Bürger und den Bereich der sozialen Daseinsvorsorge. Unumstritten sind sie auch innerhalb der Ampel-Koalition nicht. Das zeigen unter anderem die Debatte um die von Sozialminister Hubertus Heil (SPD) angekündigten schärferen Sanktionen beim Bürgergeld, die noch ein paar Einsparungen bringen sollen – und jene angesichts der aktuellen Hochwasserlage.

So spricht sich SPD-Chef Lars Klingbeil für eine bessere Finanzierung des Katastrophenschutzes aus. Aus den Erfahrungen mit den infolge großer Niederschlagsmengen teils flächendeckend sehr hohen Flusspegeln insbesondere in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt müssten politische Entscheidungen folgen, sagte er dem »Tagesspiegel« (Sonntagsausgabe). Katastrophenschutz und Hochwasserprävention müssten »massiv ausgebaut werden«.

Das Technische Hilfswerk (THW), Zivilschutz, Feuerwehren und andere Hilfsorganisationen bräuchten »die beste und modernste Ausrüstung, um das Land zu schützen«, sagte Klingbeil. Zugleich betonte er: »Um den menschengemachten Klimawandel, der solche Wetterextreme immer häufiger verursacht, aufzuhalten, müssen wir alle Anstrengungen unternehmen, um unsere Klimaziele zu erreichen.« Klingbeil hat seinen Bundestagswahlkreis in Niedersachsen und hatte das Hochwassergebiet kürzlich zusammen mit Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) besucht.

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Die Ampel-Koalition wollte die Mittel für das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) im kommenden Jahr indes bereits laut ihrem ersten Haushaltsentwurf für dieses Jahr um 49 Millionen Euro bzw. 20 Prozent kürzen. Das THW sollte 42 Millionen Euro und damit fast zehn Prozent weniger bekommen. Dabei hatte es bereits im Haushalt 2023 Mittelkürzungen um rund ein Fünftel beim THW und um ein Viertel beim BBK gegeben. Nach der verheerenden Flut im Ahrtal im Juli 2021 hatten alle Parteien versprochen, den Katastrophenschutz erheblich ausbauen zu wollen.

Angesichts der infolge des Haushaltsurteils des Bundesverfassungsgerichts von Mitte November entstandenen Finanzierungslücke im Bundhaushalt und der daraus resultierenden Einigung der Ampel auf zusätzliche Kürzungen stehen die Chancen auf mehr Mittel nicht besonders gut.

Als Investition in die Sicherheit der Bevölkerung verkauft die Bundesregierung dagegen die massive Aufrüstung der Bundeswehr und die weitere milliardenschwere Aufstockung der militärischen wie wirtschaftlichen Unterstützung der Ukraine. Dies sei zum Schutze »unserer Freiheit« vor der russischen Bedrohung notwendig.

Dagegen zeigt sich nach Cyberattacken regelmäßig, dass die technische Infrastruktur Deutschlands höchst störanfällig ist, weil in diesem Bereich zu wenig investiert wird. Durch digitale Angriffe könnten die Strom- und Treibstoffversorgung des Landes, aber auch die Arbeit von Behörden und ein Großteil der elektronisch gesteuerten Produktionsprozesse lahmgelegt werden.

Dabei hatte die Ampel in ihrer im vergangenen Juni vorgestellten Nationalen Sicherheitsstrategie eine Verbesserung des Schutzes gefährdeter Infrastrukturen und eine generelle Stärkung des Bevölkerungsschutzes angekündigt.

Der Linke-Bundestagsabgeordnete André Hahn fragte die Regierung jüngst nach dem Stand des Ausbaus ziviler Schutzräume, die bei einer realen militärischen Bedrohung dringend nötig wären. In seiner Antwort erklärte das Bundesinnenministerium Mitte Dezember, dass dort aufgrund des russischen Angriffs auf die Ukraine nun eine Arbeitsgruppe »Vorschläge zu baulichen Schutzmöglichkeiten für die Bevölkerung« entwickele.

Praktisch passiert ist diesbezüglich also auch fast zwei Jahre nach Beginn des Ukraine-Krieges offenbar wenig. Das, konstatierte Hahn, zeige »die Kurzsichtigkeit der sogenannten Zeitenwende, die offensichtlich nur ein Subventionsprogramm für die Rüstungsindustrie bedeutet, aber den Bereich des Zivilschutzes völlig außer Acht lässt«.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) appellierte derweil in seiner Neujahrsansprache an die Bevölkerung, zuversichtlich zu bleiben. Das dürfte gerade jenen schwerfallen, die von erneuten Energie- und Treibstoffpreissteigerungen besonders betroffen sind, weil sie ein geringes Einkommen haben. Denn die von der Ampel versprochene Kompensation in Form des Klimageldes kommt in diesem Jahr nicht.

Man werde »kraftvoll in die Zukunft«, namentlich in die Verkehrsinfrastruktur und in die »saubere Energieversorgung«, investieren, versprach Scholz. Wegen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts werde man aber nicht alle Vorhaben umsetzen können, räumte er ein. Dennoch gebe es zum Jahreswechsel Entlastungen für die Bürger: Steuersenkungen von insgesamt 15 Milliarden Euro, höheres Kinder- und Wohngeld sowie sinkende Beiträge zur Sozialversicherung für alle, »die wenig verdienen«.

Die Koalition geht davon aus, dass der Haushaltsausschuss des Bundestags Mitte Januar über die Änderungen und geplanten Einschnitte im Etatentwurf der Bundesregierung abstimmen wird. Ende Januar sind eine Haushaltswoche und der endgültige Beschluss über den Etat 2024 im Bundestag geplant. Den Bundesrat könnte er demnach Anfang Februar passieren.

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