Schuldenbremse: Investitionen statt Sparprogramme

Ökonomen fordern aktive Wirtschaftspolitik gegen schleppende Konjunktur

  • Felix Sassmannshausen
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Zahl der Erwerbslosen ist im Dezember leicht angestiegen. Das geht aus einem Bericht der Bundesagentur für Arbeit vom Mittwoch hervor. Danach stieg die Arbeitslosenzahl im Vergleich zum November um 31 000 und erreichte damit einen Stand von insgesamt rund 2,6 Millionen Menschen. Die Quote liegt bei 5,7 Prozent.

»Erfreulich ist, dass die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit 35,1 Millionen im Oktober erneut einen Höchststand erreicht hat«, sagte Staatssekretärin Leonie Gebers aus dem Bundesarbeitsministerium zu den Zahlen. Der Arbeitsmarkt erweise sich trotz schwacher Konjunktur als widerstandsfähig.

Doch das bleibt voraussichtlich nicht so. Einer Prognose des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) zufolge steigt die Arbeitslosigkeit dieses Jahr um 250 000 auf rund 2,85 Millionen Personen und läge dann bei 6,2 Prozent.

Die schlechten Aussichten sind auch bedingt durch eine insgesamt schwache wirtschaftliche Dynamik in Deutschland. Laut IMK-Prognose wird das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2024 im Durchschnitt um 0,3 Prozent sinken. »Damit wäre der Rückgang ähnlich groß wie 2023«, heißt es in den Berechnungen vom Dezember.

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Das liegt an einer stagnierenden Weltwirtschaft. Die schwächelnde chinesische Wirtschaft dürfte sich nicht bald erholen. Insbesondere die dortige Immobilienbranche befindet sich in einer tiefen Krise. Und das BIP-Wachstum in den USA fällt laut Ausblick des IMK im Jahr 2024 um gut ein Prozent auf 1,3 Prozent. Das ohnehin geringe Wirtschaftswachstum im Euroraum wird von 0,5 Prozent in diesem Jahr auf 0,4 Prozent zurückgehen.

Das hat entsprechend negative Auswirkungen auf die deutsche Exportindustrie. Die Ökonom*innen des IMK prognostizieren für das Jahr 2024, dass die Ausfuhren geringfügig um 0,1 Prozent zurückgehen, während die Importe minimal um 0,1 Prozent steigen werden.

Auch darum werden die Unternehmen vorsichtiger mit Blick auf ihre Zukunftsplanung: Während die Investitionen in Ausrüstungen stagnieren, gehen die Ausgaben in der Baubranche im Jahr 2024 um rund fünf Prozent zurück.

Dass die Bundesregierung mit ihrem Haushalt Ausgaben an verschiedenen Stellen kürzt und Abgabenerhöhungen anvisiert, ist mit Blick auf diese Daten aus Sicht des IMK ein Problem. Hinzu kommt demnach die zusätzliche Unsicherheit über die Förderung von Klimaschutzprojekten.

»Das hat negative Effekte auf das Wachstum«, warnt der Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung, Sebastian Dullien. »Wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht ohne Not in eine wirtschaftliche Schwäche manövrieren.«

Die von der Bundesregierung anvisierten Sparprogramme bedrohen aus Sicht der in den USA forschenden Ökonomin Isabella Weber die wirtschaftliche Substanz des Landes. »Wenn die Bundesregierung jetzt nicht investiert, wird Deutschland als Wirtschaftsstandort seine Wettbewerbsfähigkeit verlieren«, sagte sie dem »Tagesspiegel« am Mittwoch.

Zudem sorge der Umstand, dass die Energiepreisbremsen zum Ende des Jahres ausgelaufen seien und nicht verlängert würden, für Unsicherheiten. Das hemme Investitionen und den privaten Konsum weiter, warnte sie. Es bedürfe dagegen einer aktiven Wirtschaftspolitik der Bundesregierung. Kurzfristig ließe sich laut IMK hierfür ein Sondervermögen einrichten. Mittelfristig sei eine Reform der Schuldenbremse notwendig, betont Weber.

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