Andreas Wellinger wird bei der Vierschanzentournee zum Jäger

Jan Hörl siegt. Ryoyu Kobayashi setzt sich nach dem dritten Springen in Innsbruck vor den Deutschen Wellinger, der aber noch alle Chancen hat.

  • Lars Becker, Innsbruck
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Ansage von Skisprung-Bundestrainer Stefan Horngacher vor dem Springen am »Schicksalsberg« war brachial: »Wir haben keine Angst vor dem Bergisel. Wir werden es durchmetzeln – was passiert, das passiert.« In den vergangenen Jahren platzten hier in Innsbruck viele deutsche Vierschanzentournee-Träume. Der von Andreas Wellinger vom ersten deutschen Gesamtsieg seit 22 Jahren lebt dagegen weiter.

Im strahlenden Sonnenschein verpasste der beste deutsche Skispringer am Mittwochnachmittag als Fünfter beim dritten Springen der 72. Vierschanzentournee zwar das Podest. Damit verlor der Doppel-Olympiasieger auch seine Halbzeit-Führung beim alljährlichen Grand Slam, geht aber als aussichtsreicher Zweiter der Gesamtwertung in das große Finale am Samstag in Bischofshofen. Sein Rückstand auf Spitzenreiter Ryoyu Kobayashi (Japan) im Kampf um 100 000 Schweizer Franken beträgt nur 4,8 Punkte – das sind umgerechnet 2,67 Meter.

»Gut zweieinhalb Meter sind nix auf dieser großen Schanze in Bischofshofen. Ich mag sie extrem gern und werde Vollgas geben«, erklärte Wellinger nach seiner nervenstarken Vorstellung vor 20 000 Fans im Hexenkessel von Innsbruck. Nach seinem Auftaktsieg in Oberstdorf und Platz drei beim Neujahrsspringen von Garmisch-Partenkirchen schaffte es der 28-Jährige erstmals bei dieser Tournee nicht aufs Podest. Dennoch war Chefcoach Stefan Horngacher zufrieden: »Andi ist super unter dieser Nervenbelastung gesprungen. Der Abstand ist nicht zu groß.«

Alle im deutschen Lager waren zufrieden, dass Wellinger die schwierigste Bewährungsprobe bei dieser Tournee halbwegs ungeschoren überstanden hatte. Schließlich haben deutsche Flieger in Innsbruck in den vergangenen Jahren schon viele Dramen erlebt, weshalb der Bergisel gern als deutscher Schicksalsberg bezeichnet wird. Martin Schmitt, der letzte deutsche Tagessieger Richard Freitag (2015) und Severin Freund büßten hier nach Stürzen alle Chancen auf den Gesamtsieg ein.

Deshalb hatte sich Andreas Wellinger nach einer verpatzten Qualifikation vor diesem vorentscheidenden Springen nur eines gewünscht: »Ich hoffe, dass die Windbedingungen halbwegs fair sind. Ansonsten ist das eine Lotterie – da kannst du den Würfel nehmen und entweder du hast Glück oder eben nicht.« Wind wehte natürlich auch an diesem Mittwoch – doch Wellinger war zunächst das Glück hold. Im ersten Durchgang segelte er bei Aufwind auf starke 132 Meter. »Der Sprung war nicht perfekt, aber Andi hat ihn super gerettet«, lobte Horngacher. Kobayashi übernahm anschließend dennoch in der Gesamtwertung erstmals knapp die Führung vor Wellinger.

Der Deutsche schaffte im zweiten Durchgang dann bei schlechterem Rückenwind nur noch 126,5 Meter und winkte zunächst enttäuscht ab. Kobayashi segelte anschließend auf 132 Meter. Aber auch das reichte nur zu Platz zwei in der Tageswertung hinter dem umjubelten einheimischen Tagessieger Jan Hörl. Der ist jetzt neuer Tournee-Gesamtdritter, liegt mit 23,6 Punkten Rückstand auf Kobayashi jedoch wohl schon aussichtslos zurück.

Alles spricht also für ein Finalduell zwischen Wellinger und Kobayashi. Der Japaner hat das psychologische Plus, dass er die Tournee 2019 und 2022 schon zweimal gewonnen hat. Außer Form geraten ist der als Mitfavorit in die Tournee gegangene Karl Geiger. Der Mann, der im Dezember noch zwei Weltcups gewonnen hatte, stürzte in Innsbruck auf Platz 26 ab. Noch schlimmer erwischte es den bei der Tournee-Generalprobe zum Sieg geflogenen Pius Paschke, der als 36. sogar den Sprung in den zweiten Durchgang verpasste. Damit ist von den drei als Favoriten auserkorenen Springern des deutschen Teams nur noch Andreas Wellinger übrig. Aber der fühlt sich in seiner neuen Rolle als Jäger sehr wohl und glaubt weiter an den ganz großen Triumph: »Ich liebe Bischofshofen.«

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