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- Fußball-EM der Frauen
DFB-Frauen gehen verunsichert ins Viertelfinale gegen Frankreich
Die deutschen Fußballerinnen haben vage Lösungsansätze und einen »Matchplan«
Irgendetwas stimmt mit den deutschen Fußballerinnen bei dieser Europameisterschaft nicht. Das jüngste Beispiel lieferte Klara Bühl. Für die Offensivspielerin vom FC Bayern wäre es naiv, nach dem ernüchternden Auftritt gegen die Schwedinnen nichts am Spiel des deutschen Teams zu ändern. Schließlich war das 1:4 zum Gruppenabschluss die höchste Niederlage einer DFB-Auswahl bei einer EM. Und im Viertelfinale warten an diesem Sonnabend in Basel immerhin die offensivstarken Französinnen.
Geheimer Glaube
Doch in der Schweiz muss sich Erstaunliches ereignet haben. Folgt man Bühls Worten vom Donnerstag, dann soll sich nach dem mühevollen Auftakterfolg gegen Polen, dem sehr beschwerlichen Sieg gegen die letztlich punktlos ausgeschiedenen Däninnen und dem defensiven Desaster im Aufeinandertreffen mit Schweden tatsächlich ein »Glaube entwickelt« haben, bei der EM »etwas bewegen zu können«. Damit meint Bühl, »die nächsten drei Spiele zu gewinnen«. Der Titel also. Mit diesem Ziel sind die deutschen Fußballerinnen ins Turnier gestartet, was im Verlauf den Glauben daran erhalten oder gar gestärkt haben könnte, das verriet die 24-Jährige nicht.
Das bislang schlechteste Ergebnis bei einer EM lieferten die deutschen Fußballerinnen beim Viertelfinalaus 2017 – mit einer überforderten Bundestrainerin Steffi Jones. Die Suche nach einer Prise Hoffnung, dass das erste Turnier für Trainer Christian Wück nicht ebenso enttäuschend endet, führt erst mal zum Gegner. Als Zweiter der Gruppe C sind die DFB-Frauen unfreiwillig, aber auch glücklicherweise einem Viertelfinalspiel gegen die vor allem als Team stark auftretenden Engländerinnen aus dem Weg gegangen. Das Auftaktspiel hatten die Titelverteidigerinnen zwar ausgerechnet gegen Frankreich verloren, wurden dann immer besser – und stehen nach einem bemerkenswerten Viertelfinale am Donnerstagabend gegen Schweden im Halbfinale.
Stärken und Schwächen
Wück und seinen Spielerinnen kann nun erst mal die historische Erkenntnis Mut machen, dass die Französinnen noch nie ein Turnierspiel gegen ein DFB-Team gewonnen haben. Um das erste Mal, das auch im Fußball immer irgendwann kommt, am Sonnabend zu vermeiden, sollten die deutschen Fußballerinnen ihren eigenen Stärken vertrauen: den Gegner früh attackieren und vor allem auch mit eigenen Offensivaktionen unter Druck setzen. Denn genau in solchen Situationen fühlt sich das junge und unerfahrene französische Team nicht wohl und offenbarte dabei gegen die Niederlande und sogar gegen Wales einige Schwächen.
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Mit der durchschlagenden Offensivkraft, die auch in den Spielen gegen Dänemark und Schweden zu sehen war, kann das DFB-Team tatsächlich jedem Gegner gefährlich werden. Deshalb wiederholt Wück Sätze wie diesen: »Wir müssen uns vor keiner Nation verstecken.« Allerdings würde es die ganzen Diskussionen um die deutschen Fußballerinnen und den Bundestrainer nicht geben, wenn nicht das starke Angriffsspiel, sondern die fatalen Abwehrschwächen derart entscheidend sind, sodass der Einordnung des Spiels gegen die Schwedinnen als Debakel von keiner Seite Widerspruch folgte. Angesichts der sichtbar großen Verunsicherung und der teilweisen Hilfslosigkeit der Spielerinnen in dieser Partie verwundert es umso mehr, warum innerhalb des Teams noch immer vom Titel gesprochen wird.
Systembedingte Probleme
»Es wird Veränderungen geben«, kündigte Mittelfeldchefin Sjoeke Nüsken an. Bundestrainer Wück, der vernünftigerweise nicht gleich sein ganzes Konzept über den Haufen werfen und weiterhin auf das Mittel des druckvollen Offensivspiels setzen will, wird die Abwehr umbauen. Allerdings reicht es nicht, dort nur Spielerinnen auszutauschen. Viel ändern wird sich nicht, wenn beispielsweise die zu Recht kritisierte aber keineswegs allein verantwortliche Rebecca Knaak in der Innenverteidigung durch Kathrin Hendrich ersetzt oder eine Außenposition neu besetzt wird. Denn die Probleme sind systembedingt. Mittlerweile wisse jeder, wie riskant wir spielen, erklärte Kapitänin und Abwehrchefin Janina Minge erstaunlich offen.
Wie immer geht es um die Balance im Spiel. Warum sich das Team nach Weltklasse-Angriffen dann wie ein Kreisliga-Team auf einfachste Art und Weise in der Defensive düpieren lässt, bleibt selbst den Beteiligten ein Rätsel. »Wir wissen selbst nicht genau, woran es liegt«, erzählte Nüsken und verwies auf einen Lösungsansatz. »Wir haben hoffentlich etwas gefunden, das uns weiterhilft«, erklärte sie nach Gesprächen mit dem Sportpsychologen. Vielleicht ist damit auch der allzu überschwängliche Optimismus von Bühl zu erklären. Oder mit der Tatsache, dass seit Donnerstag der Matchplan gegen Frankreich klar sei, wie sie sagte. Wie auch immer: An den Titel sollten die deutschen Fußballerinnen am Sonnabend nicht denken.
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