Werbung

BVG-Busse halten nicht am Hauptbahnhof in Berlin

BVG droht wegen Verkehrschaos drei Buslinien am Knotenpunkt durchfahren zu lassen

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Busfahrgäste der BVG drohen die nächsten Leidtragenden von Berlins Planlosigkeit bei der Gestaltung des Europaplatzes auf der Nordseite des Hauptbahnhofs zu werden. In einer »nd« vorliegenden Mail an Mittes Verkehrsstadträtin Almut Neumann (Grüne) sowie die Verkehrsverwaltung von Senatorin Manja Schreiner (CDU) kündigen die Berliner Verkehrsbetriebe an, »in letzter Konsequenz die Haltestelle ›S+U Hauptbahnhof‹ ersatzlos außer Betrieb« zu nehmen, wenn sich die Lage »nicht unverzüglich entspannt«.

Betroffen wären die Haltepositionen der Buslinien 120, 142 und 147 in Richtung Osten und damit rund 3000 Fahrgäste täglich, wie die BVG-Pressestelle erläutert. Seit Wegfall des Taxistandes auf der Nordseite sei diese Haltestelle »nicht ordnungsgemäß anfahrbar«, heißt es in der Mail an Bezirk und Senatsverwaltung.

»Unsere Busse halten in der zweiten Spur, links neben den ordnungswidrig stehenden Taxen und Fahrzeugen der Fahrdienstleister. Die Fahrgäste verlassen den Bus über die Fahrbahn, in dessen Folge Unfälle durch Fehltreten und Stürzen nicht auszuschließen sind«, wird die Situation geschildert. Fast täglich würden von der Bus-Leitstelle der BVG Polizei und Ordnungsamt zum Vorfallsort entsandt. »Eine Besserung erfolgt nur temporär«, so die Erfahrung.

Muckefuck: morgens, ungefiltert, links

nd.Muckefuck ist unser Newsletter für Berlin am Morgen. Wir gehen wach durch die Stadt, sind vor Ort bei Entscheidungen zu Stadtpolitik – aber immer auch bei den Menschen, die diese betreffen. Muckefuck ist eine Kaffeelänge Berlin – ungefiltert und links. Jetzt anmelden und immer wissen, worum gestritten werden muss.

Selbst am Bahn-Streiktag Mittwoch, an dem deutlich weniger Menschen den Hauptbahnhof als Ziel oder Ausgangspunkt haben, ist die Busspur vor den Haltestellen komplett mit auf Fahrgäste wartenden Taxis zugestellt. Zum Ein- und Ausladen halten Privatautos, Mietwagen von Dienstleistern wie Uber oder Taxis direkt im Haltestellenbereich.

Eine Kontaktaufnahme mit der Taxi-Innung habe die Erkenntnis gebracht, dass es möglich sei, die Fahrer darauf anzusprechen. Das werde jedoch »nicht von Erfolg gekrönt sein«, Sanktionsmöglichkeiten gebe es nicht. BVG-Fahrpersonal und die Betriebsaufsicht hätten versucht, Kontakt mit den Fahrern der Taxis und den Fahrdienstleistern aufzunehmen. »Die Fahrer der unterschiedlichen Fahrdienstleister anzusprechen, scheitert an Sprachbarrieren. Teile der Fahrer, die der deutschen Sprache mächtig waren, verhielten sich aggressiv gegenüber unseren Verkehrsmeistern und drohten mit Gewalt«, wird berichtet.

»Diese Situation ist für den Linienverkehr nicht zu akzeptieren und für unsere Fahrgäste gefährlich«, konstatiert der BVG-Verantwortliche. Er erinnert daran, dass am S- und U-Bahnhof Wedding auch an einem Busstopp nicht mehr gehalten wird, »nachdem eine Radverkehrsanlage das regelkonforme Anfahren der Haltestelle verhindert hatte«.

»Um diese Situation nicht weiter eskalieren zu lassen«, wird von der BVG vorgeschlagen, zu prüfen, ob der zeitnahe Aufbau eines sogenannten Haltestellenkaps möglich ist. Dabei handelt es sich um eine Vorstreckung des Gehwegs, die dafür sorgt, dass die Haltestellenkante direkt an der Fahrspur liegt. Genannt wird auch ein konkreter Hersteller, der temporäre Lösungen anbietet, um so ein Kap kurzfristig aufzubauen. So eine Lösung wurde gerade in Schwanebeck in der Gemeinde Panketal nördlich von Berlin umgesetzt, um einen provisorischen Busbahnhof für den Schülerverkehr einrichten zu können.

Die im Herbst 2023 erfolgte Verbannung des Taxistandes an der Nordseite des Hauptbahnhofs war der Startschuss für die endgültige Gestaltung des Europaplatzes, der seit Eröffnung des Bahnhofs 2006 ein Provisorium ist. Ursprünglich hätte damit gewartet werden sollen, bis die Bauarbeiten für die S21 genannte zweite Nord-Süd-Verbindung der S-Bahn abgeschlossen sind. Doch das hat sich berlintypisch immer weiter verzögert. Auf dem bisherigen Taxistellplatz hat der Bezirk Mitte die Einrichtung einer Jelbi-Station der BVG angekündigt. Dahinter verbirgt sich ein Parkplatz für Sharing-Fahrzeuge wie Fahrräder oder die bei vielen verhassten Elektro-Tretroller.

Muckefuck: morgens, ungefiltert, links

nd.Muckefuck ist unser Newsletter für Berlin am Morgen. Wir gehen wach durch die Stadt, sind vor Ort bei Entscheidungen zu Stadtpolitik – aber immer auch bei den Menschen, die diese betreffen. Muckefuck ist eine Kaffeelänge Berlin – ungefiltert und links. Jetzt anmelden und immer wissen, worum gestritten werden muss.

Das Bezirksamt Mitte verweist auf nd-Anfrage auf die Zuständigkeit der Senatsverkehrsverwaltung. Man stehe hierzu im Kontakt mit der Verwaltung, heißt es weiter.

»Die Problematik ist unserem Haus bekannt und auch für uns aktuell unbefriedigend. Uns sind die Gefahren, die sich für die Fahrgäste der BVG dadurch ergeben, bekannt«, erklärt Michael Herden, Sprecher der Senatsverkehrsverwaltung, auf nd-Anfrage. Für eine Interimslösung sei man in enger Abstimmung mit der BVG und dem Bezirksamt Mitte. »Zudem beabsichtigen wir, für Taxis einen vorübergehenden Haltestellenbereich anzubieten, damit der Bereich vor dem Hauptbahnhof nicht mehr zugestaut wird. Die Umsetzung planen wir so schnell wie möglich«, so Herden weiter.

Das scheint bereits geschehen zu sein: Laut einem aktuellen Bericht im BVG-Intranet soll bereits in der dritten Januarwoche die Busspur ähnlich der geschützten Fahrradwege durch das Straßen- und Grünflächenamt Mitte mit sogenannten Leitboys, flexiblen Baken, abgeteilt werden. »Perspektivisch sollen eine Schranke bzw. ein herausfahrbarer Poller diese Spur exklusiv für unseren Linienverkehr absichern«, heißt es weiter. Auch sei zugesagt worden, dass Regelverstöße der Fahrer der dort stehenden Fahrzeuge streng geahndet würden.

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal