Serie »Criminal Record«: Die üblichen Verdächtigen

In der Serie »Criminal Record« ermittelt eine schwarze Polizistin gegen ihre weißen Kollegen und kämpft gegen Rassismus

  • Florian Schmid
  • Lesedauer: 3 Min.
June Lenker (Cush Jumbo, r.) und ihr Kollege Detective Chief Inspector Daniel Hegarty (Peter Capaldi) auf Konfrontationskurs. Die eine will aufklären, der andere bewahren.
June Lenker (Cush Jumbo, r.) und ihr Kollege Detective Chief Inspector Daniel Hegarty (Peter Capaldi) auf Konfrontationskurs. Die eine will aufklären, der andere bewahren.

Hat Errol Mathis (Tom Moutchi) wirklich seine Frau ermordet? Oder sitzt er seit über zehn Jahren unschuldig im Gefängnis? Das mutmaßt zumindest die schwarze Londoner Polizistin June Lenker (Cush Jumbo) in der achtteiligen Serie »Criminal Record«, die auf Apple TV+ zu sehen ist.

Eher durch Zufall stößt die Beamtin auf diesen schon über zehn Jahre zurückliegenden Mordfall. Die Mutter des verurteilten Täters und ein antirassistisches Unterstützungskomitee kämpften lange Zeit erbittert um die Freilassung des Schwarzen Errol. Wurde 2011 kurz nach den tagelangen Plünderungen in London in diesem aufsehenerregenden Mordfall schlampig ermittelt? Sollte gar möglichst schnell ein Schuldiger gefunden werden, der dem medial erzeugten rassistischen Feindbild entsprach, um so die aufgeheizte Stimmung in London im Sinne rechter Hardliner zu beruhigen? Als June Lenker auf den Fall aufmerksam wird, zu ermitteln beginnt und nach neuen Zeugen sucht, werden einige in der Londoner Metropolitan Police ziemlich nervös. Dazu gehört vor allem auch Chefinspektor Daniel Hegarty (Peter Capaldi), der damals die Ermittlungen leitete.

Gegen den Widerstand ihrer Vorgesetzten beginnt Lenker ihre Nachforschungen und steht bald vor der Frage, wie sehr der strukturelle Rassismus in der Londoner Polizei bei diesem Fall eine entscheidende Rolle spielte. Ist ihr immer drastischer gegen sie vorgehender Gegenspieler Daniel Hegarty wirklich nur ein widerlicher rassistischer Fiesling, der sogar ins organisierte Verbrechen verwickelt ist und jede Menge zu verlieren hat? Oder ist der akribisch arbeitende Beamte, der in seiner Behörde geschätzt wird, einer allgemein unter weißen Polizisten verbreiteten Feindbild-Logik erlegen?

In dieser Serie wird es dem Zuschauer nicht gerade leicht gemacht, diesen Fall zu durchschauen. Denn Hegarty ist mal hilfsbereiter, reflektierter Kollege, der Lenker zur Seite steht und selbst mit dem Tod seiner Frau und der Drogenabhängigkeit seiner Tochter zu kämpfen hat. Aber dann ist er doch wieder ein manipulativer Machtmensch, der außerdem die Nazi-Vergangenheit einer seiner Kollegen deckt, während June Lenker von einem Neonazi derselben Gruppe, der Combat League, während ihrer Ermittlungen fast umgebracht wird. Sogar ihrem Teenager-Sohn scheinen einige Beamte nachzustellen, um Druck auf sie auszuüben, sodass die junge ambitionierte Polizistin bald das Gefühl hat, in einem regelrechten Albtraum festzustecken.

»Criminal Record« ist über die Länge der acht Episoden eine ungemein spannende Krimiserie mit zahlreichen überraschenden Wendungen und einem ausufernden Personal. Von den schicken Mittelstandsvierteln, wo auch Lenker wohnt, geht es ins Londoner Nachtleben, ins Drogenmilieu, in Industrieviertel und in riesige Sozialblocks, wo die Bewohner die anrückende Polizei auch mal mit Steinwürfen empfangen.

Während June Lenker außerdem in einem aktuellen Fall ermittelt, um eine Frau zu schützen, legt sie Stück für Stück den alten Mordfall frei und rekonstruiert die damalige Geschichte. Das ist dramaturgisch so geschickt gemacht, dass die Zuschauer fast das Gefühl bekommen, selbst mitten in den Ermittlungen zu stecken. Dabei gibt es auch immer wieder reichlich Action, wenn June sich mal mit einem Neonazi prügelt oder der Drogenmafia auf die Pelle rückt und ihre weißen Polizeikollegen ein ums andere Mal heftig unter Druck setzt.

Dabei bemüht »Criminal Record« keine antirassistischen Plattitüden, sondern setzt darauf, die Dynamik der Strukturen sichtbar zu machen, die von weißen Männern gemacht und dominiert werden. Das bleibt bis zum Schluss spannend, ohne dass ganz klar wird, wer hier eigentlich die Fäden in der Hand hält. Aber es wird in der finalen Auflösung auch deutlich, dass es immer die Möglichkeit gibt, sich gegen diesen strukturellen Rassismus zu entscheiden, auch wenn einen das unter Umständen etwas kostet.

Verfügbar auf Apple TV+

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