Ferienwohnungen in Berlin: Zweckentfremdungsverbot ausbaufähig

Ausschuss für Stadtentwicklung und Bauen diskutiert Zweckentfremdungsverbot

  • David Rojas Kienzle
  • Lesedauer: 3 Min.

Erfolgsgeschichten gibt es selten in der Berliner Wohnungspolitik. Das Zweckentfremdungsverbot scheint trotz allem eine zu sein, zumindest wenn man den Sprecher*innen von Bezirken und Senat in der Ausschussitzung für Stadtentwicklung und Bauen zuhört. Die Zahlen sprechen für sich: Seit Einführung wurden nach Senatsangaben berlinweit mehr als 44 000 Wohnungen wieder als Wohnraum zur Verfügung gestellt.

Das Zweckentfremdungsverbot trat am 1. Mai 2014 in Kraft. Damit soll die Umnnutzung von Wohnraum durch Umwandlung in Gewerberaum oder Ferienwohnungen, Abriss oder Leerstand verhindert werden. Die Umsetzung der Regelung liegt in der Hand der Bezirke. Am Montag fand eine Expert*innenanhörung statt, bei der Vertreter*innen der Bezirksämter Neukölln und Tempelhof-Schönerberg sowie des Mietervereins angehört wurden. Der rot-rot-grüne Senat hatte noch eine Verschärfung des Verbots geplant, der neue schwarz-rote Senat will sich darauf beschränken, bestehende Zwangsmittel effektiver einzusetzen.

Auch Karsten Baudach vom Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg zieht eine grundsätzlich positive Bilanz. Allein in seinem Bezirk werden seit Einführung bis Mai 2024 überschlagene 5500 Wohneinheiten wieder als Wohnungen nutzbar gemacht worden sein.

Läuft also alles perfekt? Probleme bereitet den Bezirken teilweise die Ermittlung, ob denn ein Verstoß gegen das Zweckentfremdungsverbot vorliegt. Bei Ferienwohnungen genügt ein Inserat in einem der Anbieterportale wie dem Branchenriesen Airbnb, um einen potenziellen Verstoß festzustellen. Nicht zuletzt, weil 2018 eine verpflichtende Registrierung mit Identifikationsnummer bei den Bezirksämtern Voraussetzung dafür ist, eine Ferienwohnung zu vermieten. Anders sieht es bei Zweitwohnungen aus. Herauszufinden, ob eine Wohnung tatsächlich genutzt wird, gestaltet sich oft schwierig. »Wir können uns nicht 24/7 vor einer Wohnung auf die Lauer legen«, sagt Baudach. Daten, die eine Nutzung belegen, wie etwa der Verbrauch von Strom und Gas, dürfe man nicht abfragen.

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Ein weiteres Problem ist, dass sich die Prozesse wegen der möglichen Beschwerdeverfahren teilweise enorm in die Länge ziehen. Während der einstweilige Rechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten Verfahren um ein bis zwei Monate verlängere, dauerten die Prozesse beim Oberverwaltungsgericht zwei Jahre, so Baudach.

Als Wohnraum ungenutzt bleiben auch legale Ferienwohnungen. »Wir richten uns nur gegen illegale Ferienwohnungen«, sagt Baudach. Katalin Gennburg, Sprecherin für Stadtentwicklung der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, fordert deswegen radikalere Schritte: »Airbnb verbieten!« Man habe es mit einem weltweit organisierten Vermietungskonzern zu tun, der an die Kandare genommen werden müsse. Für rigideres Vorgehen gegen Ferienwohnungsportale gibt es internationale Beispiele: In Barcelona werden seit 2015 keine neuen Lizenzen mehr vergeben, genauso wie seit Sommer 2023 in der Innenstadt von Florenz.

Uneinigkeit bestand bei der Relevanz von Zweckentfremdung durch Abriss. Die Vertreter*innen aus den Bezirken Neukölln und Schöneberg betonten, dass solche Verfahren zu großen Teilen Einfamilienhäuser beträfen, an deren Stelle ein Neubau zur Eigennutzung geplant sei. »In den Innenstadtbezirken ist das anders«, erklärt hingegen Sebastian Bartels vom Berliner Mieterverein. »Wo man auch hinguckt, wird man diese Häuser sehen.« Das seien dann zwar keine Geisterhäuser, aber es gebe Dutzende Fälle, in denen ein Abriss vorbereitet werde. Wenn dann neu gebaut werde, entstünden allzu oft keine Mietwohnungen, sondern Eigentumswohnungen oder gar Gewerberäume wie etwa in der Charlottenburger Schlüterstraße. »Man muss die Privaten dazu verpflichten, sozialen Wohnraum zu bauen«, sagt Bartels.

Trotz des grundsätzlich positiven Effekts des Zweckentfremdungsverbots sind die möglichen Mittel also noch nicht ausgeschöpft. Nur so können die Bezirke weiter Erfolge vermelden. Denn immer wenn sie einen Mietvertrag bekämen, dann heiße das, dass eine Familie eine Wohnung habe, so Baudach. »Das macht Spaß!« Und Spaßbremse will ja niemand sein.

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