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Vonovia: Smarte Melder, höhere Mieten
Immobilienriese Vonovia baut nun auch in Berliner Wohnungen umstrittene Hightech-Rauchmelder ein
»Wir lehnen die neuen Rauchwarnmelder grundsätzlich ab«, sagt Jasmina Rühl vom Berliner Bündnis gegen Vonovia im Gespräch mit »nd«. Man beobachte seit Anfang Juli, dass Vonovia in Berlin den »Multisensor Plus« in Wohnungen einbaue. In einer Modernisierungsankündigung, die »nd« vorliegt, erklärt das Unternehmen: Der Multisensor Plus sei ein »innovativer Rauchwarnmelder«, der die Sicherheit verbessere und optionale Komfortfunktionen für ein besseres Raumklima biete. Was Vonovia als Verbesserung der Wohnqualität betrachtet, sorgt allerdings schon lange für Kritik: Denn der neue Rauchmelder macht nicht nur Alarm, wenn es brennt, sondern kann auch zahlreiche Daten erfassen und weiterleiten. Als »Spion im Schlafzimmer« wurde das Gerät schon bezeichnet.
Die Melder können per Funk Daten an ein »Gateway« im Hausflur schicken. Mittelwerte von Raumdaten wie Kohlenmonoxid, Luftfeuchtigkeit und Temperatur werden dabei von den Meldern ermittelt und übertragen. Daraus werden dann per unternehmenseigener App den Mieter*innen Hinweise zur Verbesserung des Raumklimas sowie Empfehlungen zur Verbesserung der Energieeffizienz bereitgestellt. Aber nicht nur das: Auch aggregierte und anonymisierte Auswertungen werden an Vonovia geschickt und für bis zu drei Jahre gespeichert. Das Unternehmen will beim turnusmäßigen Austausch der alten Rauchwarnmelder auf den Multisensor Plus umsteigen, teilt ein Sprecher mit. »Das wird der neue Standard der Rauchmeldetechnik in Deutschland.«
Rühl und andere Mieter*innen fürchten, dass die erhobenen Daten gegen sie verwendet werden könnten. »Anhand von Daten über die Luftfeuchtigkeit könnte Vonovia dann zum Beispiel behaupten, dass, wenn es in einer Wohnung schimmelt, man als Mieter schuld daran sei«, sagt Rühl zu »nd«. Niklas Schenker, wohnungspolitischer Sprecher der Berliner Linksfraktion, sagt, dass in den Beständen von Vonovia Schimmel oft ein Streitthema sei. »Anstatt die Bestände zu sanieren, verbaut Vonovia dann diese Spionage-Rauchmelder.«
»Wenn man diese unnötigen Zusatzfunktionen ausschaltet, stellt sich die Frage, ob das überhaupt noch eine Modernisierung sein kann.«
Jasmina Rühl,
Berliner Bündnis gegen Vonovia
Die Mietrechtsaktivistin hat noch weitere Bedenken: Mit den CO2-Werten könne theoretisch ermittelt werden, wie oft jemand koche, dusche oder wann man zu Hause sei. Eine weitere Sorge, die Rühl hat, ist, dass die Melder gehackt werden könnten und so etwa festgestellt werden könnte, wann Mieter*innen zu Hause sind. »Es ist erschreckend, wie Vonovia in das Leben von normalen Mietern eingreift«, sagt sie.
Die Kritik ist nicht neu. In Westdeutschland sorgt die Installation neuer Rauchwarnmelder schon länger hinsichtlich des Datenschutzes für Aufsehen. Vonovia ist auf die Bedenken eingegangen und verbaut die Geräte nun standardmäßig ohne die aktivierten Zusatzfunktionen. »Wir haben Anpassungen vorgenommen und entschieden, die Geräte ›default off‹ zu installieren, also mit deaktivierter Funkfunktion. Erst wenn uns eine Zustimmung vorliegt, werden die Klimadaten gespeichert und übertragen«, heißt es auf der Firmenhomepage von der für das Projekt zuständigen Portfoliomanagerin Elke Fischer. Generell gilt für Fischer: »Die Daten sind und waren zu jedem Zeitpunkt sicher.« Man könne darauf vertrauen, dass Vonovia mit allen personenbezogenen Daten absolut verantwortungsvoll umgehe.
Grundsätzlich ist der Einbau von Rauchwarnmeldern für Vermieter in jedem Raum außer Küche und Bad verpflichtend. Handelsübliche Melder ohne digitale Zusatzfunktion sind erheblich günstiger als der Multisensor Plus. Würde Vonovia nur normale Rauchwarnmelder einbauen lassen, wäre das eine Instandhaltungsmaßnahme, deren Kosten das Unternehmen alleine tragen müsste. Den Einbau der Hightech-Warnmelder verbucht das Unternehmen allerdings als Modernisierungsmaßnahme, die auf die Miete umgelegt werden kann. »Die technischen Merkmale und Zusatzfunktionen gehen über die Leistung der bereits in der Wohnung der Mieter*innen installierten Rauchwarnmelder hinaus und steigern Sicherheit und Wohnkomfort erheblich«, teilt ein Sprecher des Unternehmens auf nd-Anfrage mit.
Die Kosten dafür läppern sich. Wenn etwa wie in einer »nd« vorliegenden Modernisierungsankündigung sechs Rauchmelder eingebaut werden, ergibt sich nach Abzug des Instandhaltungsanteils ein monatlicher Betrag von 4,31 Euro, zuzüglich 1,76 Euro an zusätzlichen Betriebskosten. Peanuts könnte man meinen. Der Mieterverein Hamburg allerdings hat für den gesamten Wohnungsbestand von Vonovia bei einem Investitionsvolumen von 200 Millionen Euro zusätzliche Mieteinnahmen von 16 Millionen Euro pro Jahr berechnet.
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Marcel Eupen vom Alternativen Mieter- und Verbraucherschutzbund sagt, die neuen Geräte seien lediglich ein Ersatz für die erst vor wenigen Jahren eingebauten Rauchwarnmelder. »Bei dem geplanten Austausch handelt es sich um eine reine Instandsetzung, deren Kosten Vonovia tragen muss.« Der Mieterschützer bestreitet, dass die geplanten smarten Rauchwarnmelder den Mieter*innen eine höhere Sicherheit böten und damit als Wohnwertverbesserung gelten würden. »Es geht nicht um eine moderne Sicherheitsmaßnahme, die eine Mieterhöhung rechtfertigt.«
»Wenn man diese unnötigen Zusatzfunktionen ausschaltet, stellt sich die Frage, ob das überhaupt noch eine Modernisierung sein kann«, sagt Jasmina Rühl. »Rauchmelder sind ein Brandschutzmittel, die ganzen anderen Funktionen braucht man nicht.« Linke-Politiker Schenker sieht das ähnlich: »Ein normaler Rauchmelder ist völlig ausreichend. Der Konzern versucht, mit allen Tricks die Miete zu erhöhen.«
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