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U-Haft nach LL-Demo: Mit dem Knüppelparagrafen gegen Genossen

Zwei Teilnehmer der LL-Demo sitzen unter anderem wegen schweren Landfriedensbruchs in Untersuchungshaft

Die roten Flaggen der kommunistischen Splittergruppen wehen im Wind, »Freiheit für alle politischen Gefangenen« rufen rund 80 Menschen im Chor. Sie haben sich am Mittwochabend vor der Justizvollzugsanstalt Moabit versammelt. Denn auf der anderen Seite der Gefängnismauer sitzen seit dem 15. Januar zwei linke Aktivisten im Gefängnis.

Nima M., 25 Jahre alt und dänischer Staatsangehöriger, und Ryan T., 23 und aus Indonesien stammend, wurden festgenommen und einen Tag nach der Liebknecht-Luxemburg-Demonstration in Untersuchungshaft genommen. Der Vorwurf: Sie sollen unter anderem Polizist*innen mit Fahnenstangen auf den Helm geschlagen haben, als die Beamt*innen in den Demonstrationszug hineinpreschten. Die Staatsanwaltschaft ermittelt deshalb nach eigenen Angaben wegen Widerstands gegen und tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte sowie wegen schweren Landfriedensbruchs. Schwerer Landfriedensbruch kann mit bis zu zehn Jahren Gefängnis bestraft werden und wurde etwa im Fall der Tag-X-Demo in Leipzig im Juni 2023 genutzt, um Demoteilnehmer*innen pauschal verfolgen zu können. Die Staatsanwaltschaft wirft T. außerdem gefährliche Körperverletzung vor.

»Sie haben sich gegen die brutale Polizei gewehrt«, sagt eine Rednerin von der Initiative Freiheit für die Inhaftierten der LL-Demonstration, die sich als Reaktion auf die Verhaftung gegründet hat. »Die Polizisten liefen immer wieder in die Menge, gaben gezielte Faustschläge ab und schlugen auf dem Boden liegende Menschen«, beschreibt sie die Eskalation.

Zuerst hatte die Polizei den Demonstrationszug gestoppt, um die Personalien eines Redners festzustellen, der die mittlerweile verbotene Parole »From the river to the sea, Palestine will be free« gerufen haben soll. Ab da unterscheiden sich die Darstellungen: Die Polizei selbst spricht von einem plötzlichen Angriff durch Demonstrationsteilnehmer*innen, die mit Stöcken und Stangen auf die Beamt*innen eingeschlagen hätten. Teilnehmer*innen hingegen berichteten von einem unerwarteten Gewaltausbruch von Seiten der Polizei.

16 Teilnehmer*innen wurden laut Angaben der Polizei festgenommen. Am Rande der Kundgebung am Mittwoch erzählt Azad dem »nd« von seiner Festnahme. Er und vier weitere Personen, die sich in einer anti-imperalistischen Gruppe gegen den Paragrafen 129 und für die Freilassung kurdischer Aktivist*innen starkmachen, seien in den Tumult geraten. »Wir haben uns nur gewehrt.« Zum Ende der Demonstration hätte sie dann ein Polizeitrupp ergriffen. »Wir wurden zusammengeschlagen«, sagt Azad. Er habe eine Faust ins Gesicht bekommen.

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Nach acht Stunden habe er den Gewahrsam verlassen dürfen, nun liefen gegen ihn und seine Genoss*innen Ermittlungen wegen schweren Landfriedensbruchs, Gefangenenbefreiung, tätlichen Angriffs und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte.

Warum Nima M. und Ryan T. nicht wieder freikamen, sondern in Untersuchungshaft auf Anklage und Verfahren warten müssen, kann unterschiedliche Gründe haben: Entweder, ein*e Richter*in erkannte eine Flucht- oder Verdunkelungsgefahr. Das ist meistens bei Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft der Fall, die sich der Strafverfolgung leichter im Ausland entziehen könnten. Oder das Gericht sieht einen hohe Wiederholungsgefahr. Im Fall der LL-Demo erscheint das erste Szenario wahrscheinlicher.

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