Ausflug zum Typ Bitterfeld B

Allende I und II: Die nd-Kolumnistin erkundet Köpenick

  • Anne Hahn
  • Lesedauer: 3 Min.
Als Volksschwimmhalle Typ B (Bitterfeld) wurde die Schwimmhalle Allendeviertel von 1976 bis 1979 erbaut.
Als Volksschwimmhalle Typ B (Bitterfeld) wurde die Schwimmhalle Allendeviertel von 1976 bis 1979 erbaut.

»Is es denn bald guht jedzdt? Das ist hier ne Saunaaah un geen Erzählglub!« Stille. Im winzigen Raum, eben noch erfüllt vom Geschwätz eines Pärchens, ist nur das Schnappatmen eines älteren Herren zu hören. Drei von ihnen hocken wie gerupfte Hähne auf der mittleren Bank. Ich gleite auf die unterste Stufe, mein Herzschlag beruhigt sich. Der Aufguss war heftig. Wir werden tagelang nach Kiefern riechen.

Über Wasser

Anne Hahn ist Autorin von Romanen und Sachbüchern und schwimmt für »nd« durch die Gewässer der Welt.

Die Bahn streikt an diesem Freitag Ende Januar, ich mache mich dennoch auf den Weg nach Köpenick. Mit der Flughafen-S-Bahn, die alle 20 Minuten ab Friedrichstraße fährt, gelange ich problemlos nach Adlershof, gleite per Straßenbahn durch die ewig lange Dörpfeldstraße bis zur Oberspreestraße. Bei Nieselregen laufe ich über die Lange Brücke zur Altstadt Köpenick, nebst Schlenker zur Anlegestelle am Luisenhain. Die Dahme mündet hier in die Spree und ist weit wie ein See. Möwen hocken auf dem Steggeländer, Enten sitzen unter dem Fütterungsverbotsschild und mitten im Wasser kämpft ein Kormoran mit einem Aal. Hält ihn im Schnabel, schlägt den langen Körper auf die Wasseroberfläche, taucht unter, fliegt auf, verrenkt sich.

Bevor der Kampf entschieden ist, laufe ich weiter, bis die Straßen breiter werden und die Häuser höher. Mein Ziel liegt mitten im Allende-Viertel, einem Neubaugebiet, das von 1971 und 1973 (Allende I) und 1981 bis 1983 (Allende II) zwischen Altstadt, Kleingärten, Wald und Müggelsee errichtet wurde. An Paletten und Plastiksäcken vorbei erspähe ich hinter einem Einkaufscenter das wellenförmige Dach des Schwimmbads. Die Schwimmhalle Allendeviertel ist eine typische DDR-Volksschwimmhalle des Bautyps Bitterfeld. Typ B unterscheidet sich von Typ A, der in Berlin nicht vorkommt, und den Typen C und D, die später, massiver und geräumiger erbaut wurden – zum Beispiel die Volksschwimmhalle im Thälmannpark.

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Ich laufe an der riesigen Fensterseite vorbei um das Bad herum und trete in den blitzblanken Eingangsbereich mit meliert grauem Boden, weißen Palmenkübeln, Holzbänken auf Heizkörpern und den gezeichneten Baderegeln an der weißen Wand. Ein Treppchen, Kasse, Drehkreuz, Schließfächer. Zehn Euro Pfand für den Sauna-Chip und schon bin ich im langen Flur, Schuhe unter die Bank bei den Hauben-Föhns, enge Umkleide, die Duschen ebenso – wir zwängen uns lächelnd aneinander vorbei um Trennwände und durch eine letzte Tür. In der lichterfüllten Halle ist eine Doppelbahn im 25-Meter-Becken für Sportschwimmer geleint, daneben wird auf Drei-Bahnen-Breite geplanscht. An den kurzen Wandseiten hängt jeweils ein Rettungsring.

Beim Brustschwimmen bin ich irritiert, mir fehlt die Strömung. Aber vor allem fehlt mir der Meeresboden. Zumindest eine Seegurke könnte doch hier rumliegen, oder eine kleine Muräne aus dem Wandlichtkasten äugen. Wenigstens die Sonne scheint, fantasiere ich, als ich nach meinen tausend Metern mit geschlossenen Augen im Nichtschwimmerbecken auf dem Rücken treibe. Ein plauderndes Pärchen auf den Wärmebänken am Beckenrand vertreibt mich in die versteckte Sauna, deren weiße und gelbe Flächen fröhlich wirken wie eine Kita-Ausstattung. Hinter dem Fenster prasselt der Regen, es riecht stark nach Wald.

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