Linke und BSW im Bundestag: Ein bisschen Opposition

Im Parlament haben Linke und BSW jetzt Gruppenstatus – mit eingeschränkten Rechten

Acht Wochen lang waren die 38 Abgeordneten, die einst der Linksfraktion angehörten, als Einzelkämpfer im Bundestag unterwegs. Nach der Abspaltung von zehn Mitgliedern um Sahra Wagenknecht hatte sich die Fraktion Anfang Dezember aufgelöst, weil die Zahl der Abgeordneten nicht mehr für diesen Status ausreichte. Seitdem wurden viele Gespräche mit den anderen Parteien über die künftigen Arbeitsmöglichkeiten geführt. Dass es zwei parlamentarische Gruppen geben würde, war relativ schnell klar; umstritten war dagegen die Frage, welche Befugnisse ihnen zugestanden werden.

Am Freitag beschloss nun der Bundestag die Bildung der beiden Gruppen – Die Linke mit 28 und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), das sich inzwischen auch als Partei konstituiert hat, mit zehn Abgeordneten. Ab sofort können beide Gruppen wieder jeweils gemeinsam agieren; die Vorsitzenden Dietmar Bartsch und Sahra Wagenknecht sind den Fraktionschefs rechtlich gleichgestellt.

Was wie Routine klingt – da es schon in den 90er Jahren Bundestagsgruppen von PDS und Bündnis 90/Grüne gegeben hatte -, sorgte dennoch für Streit. Denn die Ampel-Fraktionen hatten sich darauf geeinigt, Linke und BSW in ihren parlamentarischen Möglichkeiten unterhalb der Fraktionen anzusiedeln. So dürfen die Gruppen Gesetzentwürfe, Anträge und Entschließungsanträge ins Parlament einbringen, eigene Vorlagen auf die Tagesordnung setzen und Vertreter in die Fachausschüsse des Parlaments sowie in den Ältestenrat entsenden, die dort gleichberechtigt mitarbeiten. Der Vorsitz von Ausschüssen bleibt ihnen jedoch verwehrt.

Finanziell werden die Gruppen mit dem halben Grundbetrag einer Fraktion inklusive Oppositionszuschlag ausgestattet; ein Teil der Zuwendungen ist – wie auch die Redezeiten im Plenum – von der Zahl der Gruppenmitglieder abhängig.

So weit, so unbestritten. Für Aufregung sorgt jedoch, dass die Anzahl der Anfragen an die Regierung und der Aktuellen Stunden zu wichtigen Themen für die Gruppen limitiert wird. Kleine und Große Anfragen gehören zu den wichtigsten Instrumenten der Opposition bei der Kontrolle der Regierung; die Ministerien und das Kanzleramt müssen darauf antworten. Künftig dürfen die beiden Gruppen jeweils zehn Kleine oder Große Anfragen pro Monat stellen – das ist ihnen deutlich zu wenig. Der Linke-Abgeordnete Gregor Gysi erinnerte daran, dass die Anfragen den Parlamentsgruppen in den 90er Jahren unbegrenzt zur Verfügung standen.

In der Tat werden die Anfragen von der Opposition sehr gern, zuweilen üppig benutzt. So stellte die Linksfraktion in der letzten Wahlperiode (2017 – 2021) mehr als 2800 Kleine Anfragen, das sind 900 pro Jahr. Nach den Regeln für die Gruppen sind es nur noch 120 jährlich. Dabei helfen solche Anfragen, »Skandale aufzudecken und Informationen zu erfragen, die sonst nicht an die Öffentlichkeit kommen«, so die Linke-Abgeordnete Heidi Reichinnek. Die BSW-Abgeordnete Jessica Tatti kritisierte, dass die Ampel die Auflösung der Linksfraktion benutze, »um das Frage- und Kontrollrecht massiv einzuschränken«. Zu den Gruppenanfragen kommt allerdings noch die Möglichkeit jedes einzelnen Abgeordneten, schriftliche und mündliche Anfragen an die Regierung zu stellen, die jedoch nicht so umfangreich sind. Dennoch wollen beide Gruppen rechtliche Schritte gegen die Beschränkung prüfen, womöglich bis hin zur Verfassungsbeschwerde.

Was Vertreter der Ampel als vernünftigen Mittelweg bezeichneten, ist der rechten Opposition zuviel. Die Unionsfraktion würde die Gruppenbefugnisse gern »aufs verfassungsmäßig Gebotene beschränken«, um die Fragmentierung des Parteiensystems vom Parlament fernzuhalten. Der AfD geht alles viel zu weit, sie spricht von lauter Extrawürsten für die linke Opposition.

Sowohl Linke als auch BSW scheiterten mit Änderungsanträgen, mit denen sie eine unbegrenzte Anzahl von Anfragen erreichen wollten. Interessant, wenn auch nur als Protokollnotiz, ist das unterschiedliche Abstimmungsverhalten der beiden neuen Gruppen in dieser Angelegenheit. Den Änderungsantrag der Linken auf unbegrenzte Anfragemöglichkeiten befürworteten auch die BSW-Leute; beim fast gleichlautenden Änderungsantrag des BSW enthielten sich die meisten Linke-Abgeordneten der Stimme. Bei den Endabstimmungen über die Bildung der Gruppen von Linke und BSW gab es jeweils Ja-Stimmen von den Ampel-Fraktionen und dem BSW; Unionsfraktion und AfD stimmten dagegen, Die Linke enthielt sich in beiden Fällen.

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