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Mit dem Umschnalldildo in die Emanzipation

Die Serie »Sexuell verfügbar« ist ein Lehrstück für weibliche Selbstermächtigung und die Macht des »Nein«

  • Susanne Gietl
  • Lesedauer: 3 Min.
Miki (Laura Tonke) rebelliert gegen herkömmliche Denkweisen.
Miki (Laura Tonke) rebelliert gegen herkömmliche Denkweisen.

Zieh dich weniger freizügig an, gehe nicht durch den dunklen Park und nimm keine fremden Männer mit nach Hause. Das sind Sätze, die wohl jeder weiblich gelesenen Person bekannt sein dürften. Wenn man den Spieß umdreht, dann befindet man sich mitten in der Miniserie »Sexuell verfügbar«. Das Autorenduo Caroline Rosales und Timon Karl Kaleyta stellt herkömmliche Frauen-/Männer-Bilder durch reverse #MeToo-Vorwürfe gehörig auf den Kopf. Nebenbei thematisiert die Serie den Spagat, den Frauen machen müssen, um gehört und anerkannt zu werden. Wer zu still ist, geht unter, wer zu laut ist, wird nicht gehört.

In einem circa einminütigen Intro sieht man Videos von Mädchen und Frauen aus unterschiedlichen Jahrzehnten in übergriffigen Situationen, dazwischen werden Bilder von nackten Frauen in Sexheftchen oder einschlägigen Filmchen eingestreut. »Warum bist du nicht etwas netter?«, fragt die Stimme von Schauspielerin Laura Tonke. Die Bilder sind nicht neu. Ein Mädchen wird angefasst, damit das Top besser sitzt. Sie schaut direkt in die Kamera, Bilder von anderen Frauen überlagern ihres, dann streckt Tonke (in der Rolle der Miki) der Kamera die Zunge raus. »Weil wir so perfekt sind, sollen wir es immer bleiben. Jederzeit.« Sie liegt mit Armen auf dem Rücken auf einem Polizeiauto und wiederholt das Mantra. »Immer und immer wieder« (sollen wir perfekt bleiben).

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Miki rebelliert gegen herkömmliche Denkweisen und so wurde sie aus einem eher ungewöhnlichen Grund verhaftet: Ihr wird vorgeworfen, dass sie den Familienvater August von Modersohn (Hanno Koffler) mit einem Umschnalldildo gegen seinen Willen penetriert haben soll. Sie ruft ihren Jugendfreund Ben (Florian Stetter) an, der mittlerweile mit seiner Schwester (Svenja Jung) eine renommierte Anwaltskanzlei leitet. Der gutmütige Ben ist der perfekte Gegenpart zur energiegeladenen Miki, die um jeden Preis ihre unabhängige Frau stehen möchte. Deshalb schmeißt ihr Liebhaber Heini (Merlin Sandmeyer) den gesamten Haushalt und kümmert sich liebevoll um ihre Kinder. Und Ben? Der wird in die ganze Situation hineingeworfen und stellt sich seiner Neugierde.

Dass es zwischen beiden funkt, ist vorherzusehen. Da Miki aber nicht an die Liebe glaubt, ist »Sexuell verfügbar« keine billige Romantikkomödie, sondern ein Kraftstück über weibliche Selbstermächtigung und die Kunst, »Nein« zu sagen und im richtigen Moment auch mal »Ja«. Die Serie stellt schlaue Fragen und verschont auch Miki nicht. Auch sie geht Kompromisse in ihrem Leben ein, hat einen »Brotjob«, der ihren Idealen widerspricht. Ein schöner Kniff: Miki erscheinen Geister von Lilo Wanders, Lady Bitch Ray, Ines Anioli und Bens Schwester, die ihr helfen, ihre Frau zu stehen, ihr aber auch die Leviten lesen.

Man erfährt in Rückblicken, wie Miki früher war. Sie führte ein gutbürgerliches Leben als brave Ehefrau und Mutter, verkörperte vielleicht die ideale Frau, die auch eine Karriere (als Bestsellerautorin) vorzuweisen hatte. Immer wieder zeigt die Serie Einspieler aus Mikis Kindheit, in der ihr nicht nur von ihrer Mutter gesagt wurde, wie sie zu sein habe. Man versteht, wie sich Mikis Kindheitserinnerungen in ihr Körperbild und in ihr eigenes Verhalten eingebrannt haben. Miki ist die Heldin, die ihre Komplexe mit Wut bekämpft, deshalb macht sie alles anders.

Natürlich kann man sich auch fragen, ob die Serie gar so knallbunt daherkommen muss, einige Szenen sind sehr übertrieben dargestellt, aber die Grundfragen nach Gleichberechtigung bleiben. Besonders das Finale im Gerichtssaal mit Hanno Koffler als stocksteifer Saubermann und zwei Kontrahenten (Laura Tonke, Florian Stetter), die unverkrampft gegen jegliche Vorurteile ankämpfen, ist grandios.

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