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Britische Royals: Makellose Bedeutungsleere
Leo Fischer über den Daseinszweck der britischen »Royals«
Es muss schon eine Menge passieren, damit es ein Gesicht des britischen Königshauses in einen tagesschau.de-Kommentar schafft – aber im Fall von Prinzessin Kate kann sich auch das Flaggschiff des Online-Journalismus nicht zurückhalten. »Manipuliertes Familienfoto: Kates königliches Kommunikationsdesaster« titelt die Kommentatorin von ARD London, distanziert sich spielerisch vom Boulevardblatt »The Sun«, um dennoch seinen ehemaligen Chefredakteur gleich im ersten Absatz zu zitieren. Kaum ein Medium, das nicht mitspekuliert.
Was war geschehen? Von Kate, Prinzessin von Wales und Ehegattin von Kronprinz William, gab es nach einer Operation im März keine aktuellen Fotos mehr, was wilde Spekulationen ins Kraut schießen ließ: sie sei unheilbar krank, ging die Fama, andere wähnten sie sogar schon tot. Als Gegenbeweis gaben ihre Presseangestellten ein Familienfoto heraus, das aber derart dilettantisch retuschiert war, dass es die Maschinerie der Verschwörungstheorien nur noch heißer laufen ließ.
Die Absurdität: Das Bild war schlicht zu perfekt, wirkte unnatürlich und aus mehreren Quellen montiert. Gleichzeitig ist es ja genau der Daseinszweck der Royals: perfekt zu sein, Bilder von makelloser Bedeutungsleere zu erzeugen. Als letztes Rudiment der Tyrannei terrorisieren uns die Nachfahren der alten Monarchen nicht mehr mit Geheimpolizei und Folterwerkzeugen, sondern mit ihrer auf keine Weise demokratisierbaren öffentlichen Präsenz: So sollte man leben, sagen diese Bilder, sorgenfrei, in Palästen, umgeben von Dienern; so kann niemand leben, sagen sie gleichzeitig, als von der öffentlichen Hand versorgte Milliardäre; als Europas frechste Arbeitslose. Als Ikonen für Stil, »gutes Leben«, eine leerdrehende Tradition und unverbindliches soziales Engagement sorgen sie für das Überleben vormoderner Gedankenstrukturen, machen Werbung für das perfekt Irrationale, den in die Demokratie geretteten Despotismus. Dabei haben sie einen Logenplatz in unserem Unbewussten erhalten: Wir denken an sie, sorgen uns um sie wie um Verwandte, Zootiere oder den Weihnachtsmann, strahlen mit ihnen, wenn sie heiraten, weinen mit ihnen, wenn sie krank werden.
Leo Fischer ist Journalist, Buchautor und ehemaliger Chef des Satiremagazins »Titanic«. In seiner Kolumne »Die Stimme der Vernunft« unterbreitet er der Öffentlichkeit nützliche Vorschläge. Alle Texte auf: dasnd.de/vernunft
Gleichzeitig erzählt die Episode um Kate ja auch vom Kult des Authentischen inmitten einer von Künstlicher Intelligenz erodierten Wirklichkeit: Schon in wenigen Jahren wird es keinen wahrnehmbaren Unterschied mehr zwischen »echten« und algorithmisch generierten Fotos geben, umso brennender wird das Bedürfnis nach dem wahren Royal-Schicksal: Die Öffentlichkeit will die echte OP-Narbe sehen, will die volle Realität – aber natürlich trotzdem als Märchenbild verbrämt, als maximal authentische Lüge.
Die Episode erzählt auch etwas von dem gewandelten Charakter der Prominenz: Von den bunten Klatschblätterm erwartete man nichts als Fälschungen; im »Be-Real«-Zeitalter erwartet man stündlichen Zugriff aufs Privatleben derer, die man bewundert, die permanente, ins Endlose verlängerte Auflösung des Mysteriums. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass es die absoluten Monarchen waren, die vom panoptischen Zugriff auf die Subjekte träumten, und es jetzt ihre Nachkommen sind, die sich ihm ausliefern müssen.
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