The Bleachers: Wolken reißen auf

Das neue Album von den Bleachers ist wie ein Sonnenstrahl am ersten Frühlingstag

  • Benjamin Moldenhauer
  • Lesedauer: 3 Min.
Plattenbau

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Jack Antonoff mit Band bei einem Konzert in North Carolina
Jack Antonoff mit Band bei einem Konzert in North Carolina

Pop in Großbuchstaben. Die Musik der Bleachers sei vor allem, weiß Wikipedia, von den Filmen von John Hughes beeinflusst. Das ist überhaupt eine schöne Idee, weg von dem üblichen »Klingt wie«-Namedropping: Von welchen Filmen wurde die Musik beeinflusst, von welcher Musik der Text, von welchen Texten der Film? Man weiß eh nicht, ob es stimmt, solange einer die Verbindung nicht, wie der Bleachers-Sänger Jack Antonoff, zum Beispiel in einem Interview kundtut. Jedenfalls sturzeln mir beim Hören des neuen, vierten, selbstbetitelten Bleachers-Albums noch »Back into the Future«, der erste, und die Bücher von John Green ins Assoziationsvermögen, aber erzählt nicht aus der bei Green immer schwerst adoleszenten Ich-Perspektive, sondern als abgeklärter Rückblick.

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Wenn man allerdings mit »klingt wie« anfängt, wäre die erste Assoziation The National. Und tatsächlich würde ein Stück wie »Isimo« auf einem The National »Best of and Rarities«-Album nicht weiter auffallen. Bleachers verbreiten aber bessere Laune. Die Euphorie, die das Album abstrahlt, ist nicht die Euphorie eines wohligen Melancholieanfalls, sondern mehr so eine Abschlussballeuphorie. Die schlägt am direktesten im zweiten, debilsten Stück der Platte durch, »Modern Girl«, einem Stampfer, der die Titelheldin besingt, »shaking your ass tonight«, mit einem eigentlich komplett fürchterlichen Saxofonsolo, das aber in diesem Zusammenhang verdient und folgerichtig erscheint und eine komische und auch sehr erhebende Wirkung entfaltet.

»I’m so tired of having self-respect / let’s do something we regret«, singt Jack Antonoff an anderer Stelle, einem weiteren der Songs des Albums, in denen die Stimme ins Sonore geht und eben an The National erinnert. »Nichts bereuen« kann sich auch auf die Musik beziehen, die Soli, die Chöre, schlimmen Funkbass und Bruce-Springsteen-Artiges einfach zusammenwürfelt, ohne Rücksicht auf Verluste, was Ansehen und Stil angeht. Vor allem jedenfalls macht das Album der Bleachers gerade in dieser »Let’s do something«-Haltung einen Heidenspaß.

Verlieren kann Antonoff eigentlich nicht. Hauptberuflich ist er Produzent von unter anderem Lana del Rey (die auf »Bleachers« bei dem wunderschönen Song »Alma Mater« mittut) und Taylor Swift und wird jedes Jahr mit gefühlt Dutzenden Grammys zugeworfen. Man hört seiner Band, die auch als Studioband bei Antonoffs Produzentenjobs aktiv ist, an, dass hier ein Produzent am Werke ist: Immer noch eine Schicht drauf, da noch eine Spur addieren, aber alles immer maximal transparent, und hier noch was Mehrstimmiges. In diesem Sinne sind Bleachers das Indierock-Äquivalent zu Saga: Songs, um High-End-Stereoanlagen zu testen.

Aber eben nicht nur und also doch einiges mehr, weil sie immer wieder – Pop halt – direkt in der Herzgegend landen, die Liebeslieder allesamt jedenfalls. » The tiniest moves you make /Watching my whole world shake«, singt Jack Anotoff in »Tiny Moves« über einem schön stumpfen Neu!-Beat, auf den dann allerlei Zeug geschichtet wird, Glockenspiel, Streicher. In der letzten Strophe geht alles eine Oktave höher, und die Wolken reißen vollends auf. Eine sehr schöne Platte.

Bleachers: Bleachers (Virgin Music Las/Universal Music)

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