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Serie »Nach dem Attentat«: Auf der Jagd
Die Serie »Nach dem Attentat« inszeniert den Mord an Abraham Lincoln als wichtigen historischen Einschnitt der US-Geschichte
»Wenn wir nicht eine Linie ziehen gegenüber den Mördern des Präsidenten, dann … Oder sollten wir zugeben, dass da gar keine Linie gezogen wird?« Mit diesem Satz leistet sich Verteidigungsminister Edwin Stanton (Tobias Menzies) auf einer Abendgesellschaft gegenüber seinem Präsidenten Andrew Johnson (Glenn Morshower) in der Apple TV+-Serie »Nach dem Attentat« einen heftigen Affront. Denn er unterstellt Abraham Lincolns Nachfolger, die Mörder seines Vorgängers gar nicht festnehmen zu wollen.
Präsident Johnson ist düpiert, lässt sich das aber kaum anmerken und feuert Stanton einige Monate später, was zu einer Auseinandersetzung mit dem Kongress und zum ersten Amtsenthebungsverfahren gegen einen Präsidenten in den USA führt. »Nach dem Attentat« bietet eine ganze Menge spannende Nachhilfe in Sachen US-Geschichte pünktlich zum Präsidentschaftswahlkampf in den USA. Wobei sich die eingangs zitierte Konfrontation wie ein roter Faden durch diese Serie zieht und aus der Suche und Jagd nach Lincolns Mörder eine ganz grundlegende Auseinandersetzung um die Frage macht, wie das demokratische Amerika mit rassistischen Tätern umgeht – ein Thema, das auch heute in Zeiten von Black Lives Matter hochaktuell ist.
Insofern ist die historische True-Crime-Thriller-Serie »Nach dem Attentat« sehr politisch, weil sie neben dem Mord an Lincoln und der Suche nach seinem Mörder auch von der Zeit der »Reconstruction« erzählt, als nach dem Sezessionskrieg die versklavten Menschen befreit und zum Teil auch Landparzellen an sie verteilt wurden. Dem schob Präsident Andrew Johnson bald einen Riegel vor, und Menschen, die in der Sklaverei gelebt und sich gerade erst als eigenständige Farmer etabliert hatten, wurden wieder enteignet. Davon erzählt die Serie, ebenso wie vom täglichen und gewalttätigen Rassismus gegenüber Schwarzen Menschen in den USA, nicht nur in den Südstaaten, sondern etwa auch in Washington.
Im Zentrum der Geschichte steht aber die Suche nach dem Schauspieler John Wilkes Booth (Anthony Boyle), der am 14. April 1865 in einem Washingtoner Theater Abraham Lincoln während einer Aufführung in den Hinterkopf schoss, dann auf die Bühne sprang, wobei er sich ein Bein brach und rief »Sic semper tyrannis!« (So soll es allen Tyrannen ergehen!), was angeblich Brutus zu Cäsar gesagt haben soll, als er ihn ermordete. Handelte Booth, Sprössling einer bekannten Schauspielerfamilie, der in Zeitschriften gerne als »schönster Mann Amerikas« abgefeiert wurde, allein? Oder war er Teil einer Verschwörung, die womöglich sogar auf Befehl des damals auf der Flucht befindlichen Südstaaten-Präsidenten Jefferson Davis begangen wurde?
Ob Booth ein versponnener Einzeltäter war, der sich selbst zum freiheitsliebenden Tyrannenmörder stilisierte und keinerlei politischen Rückhalt hatte oder ausführendes Organ eines letzten militärisch-geheimdienstlichen Aufbegehrens des schon besiegten Südens, ist nicht wirklich eindeutig geklärt. Wobei klar ist, dass er auf geheimdienstliche Strukturen der Südstaaten zurückgriff. Aber auch die Frage, wie sehr das politische Vermächtnis Lincolns zur Befreiung versklavter Menschen durch seinen Nachfolger Andrew Johnson zu Grabe getragen wurde, thematisiert die Serie.
Johnson erklärt in der Serie sehr deutlich, dass ihm wirtschaftliche Prosperität, auch die der Unternehmer im Süden, womit Plantagenbesitzer gemeint sind, wichtiger sei als Bürgerrechte. Edwin Stanton wird in der Serie zum Bewahrer von Lincolns Erbe und jagt unerbittlich den rassistischen Mörder, der zwölf Tage lang auf der Flucht war und dann bei seiner Festnahme erschossen wurde. Auch die juristische Aufarbeitung vor einem Militärtribunal behandelt die Serie, die ursprünglich auf dem Sachbuch »Manhunt« des Historikers James L. Swanson beruht. Wobei Monica Beletsky, die Macherin und Skriptschreiberin von »Nach dem Attentat« neben der Jagd nach dem Mörder noch ein ganzes Panorama der USA nach dem Sezessionskrieg auffächert und viel von der rechtlichen Unsicherheit für gerade noch versklavte Menschen erzählt. Für sie ist das auch ein persönliches Thema, wie sie der Zeitschrift »Vanity Fair« erklärte. Denn ihre Ururgroßmutter wurde damals in Georgia, wo die Serie gedreht wurde, ebenfalls aus der Sklaverei befreit.
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