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EM-Qualifikation: DFB-Frauen mit neuer Mentalität in Österreich

Die deutschen Fußballerinnen gehen ihre großen Aufgaben in veränderter Hierarchie an

  • Frank Hellmann, Linz
  • Lesedauer: 4 Min.
Bundestrainer Horst Hrubesch und seine neue Kapitänin Giulia Gwinn
Bundestrainer Horst Hrubesch und seine neue Kapitänin Giulia Gwinn

Wer Linz besucht, heißt es gerne, sollte die Kraft der Donau spüren, die Altstadt erkunden oder den Ausblick am Pöstlingberg genießen. Von einer Erkundungstour der hiesigen Fußballarena ist gemeinhin selten die Rede, doch nun könnten sich die Prioritäten ein bisschen verschieben. Nachdem der Österreichische Fußball-Bund (ÖFB) im vergangenen Jahr bereits drei Länderspiele der Männer in die feine Arena der drittgrößten Stadt der Alpenrepublik vergeben hat, kommt es an diesem Freitag nun zur Premiere der Frauen: Das Nachbarschaftsduell in der Qualifikation zur Europameisterschaft zwischen Österreich und Deutschland gilt als prestigeträchtige Paarung, die auch ein gewisses Publikumsinteresse generiert.

Während sich ÖFB-Teamchefin Irene Fuhrmann auf »eine tolle Challenge« freut, bringt DFB-Gegenüber Horst Hrubesch seine Vita ein. In den 90er Jahren arbeitete er als Trainer bei FC Tirol und Austria Wien. Generell sei Österreich »ein tolles Land: Ich habe noch viele Freunde und Bekannte, die über die Jahre geblieben sind.« Um seine schönen Erinnerungen nicht zu stören, sollen »seine Mädels« an das couragierte Entscheidungsspiel um die Olympiaqualifikation Ende Februar gegen die Niederlande anknüpfen.

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Ein Team, drei Aufgaben

Österreich werde zwar »kein Selbstgänger«, aber man wolle auch diesen Gegner »zwingen, sich nach uns zu richten«. Weil die EM-Qualifikation vor den Olympischen Spielen im Sommer durchgezogen wird, muss Bundestrainer Horst Hrubesch gleich drei Aufgaben parallel bewältigen: das Ticket für die EM 2025 in der Schweiz lösen, den Ausleseprozess für den Olympia-Kader vorantreiben, da ja nur 18 Spielerinnen nominiert werden dürfen – und ganz nebenbei die Verjüngung des Teams vornehmen. Die Qualifikationsgruppe mit Österreich, Island und Polen – die ersten beiden haben das Ticket für die Endrunde sicher – findet Hrubesch »interessant und machbar«. Natürlich ist es auch in seinem Interesse, seinem Nachfolger Christian Wück nicht unnötige Playoff-Runden im Herbst aufzubürden. Beide haben mehrfach miteinander telefoniert, »aber bis zu meinem Ausscheiden ist das mein Bereich«, stellt er unmissverständlich klar.

Die unter seiner Vorgängerin Martina Voss-Tecklenburg am Ende viel zu verkrusteten Strukturen werden durch das verletzungsbedingte Fehlen von Kapitänin Alexandra Popp und Abwehrchefin Marina Hegering sowie der jüngst zurückgetretenen Ersatzkapitänin Svenja Huth aufgebrochen. Die Regenbogenbinde wird nun Giulia Gwinn tragen, was insofern eine gute Entscheidung ist, als die Rechtsverteidigerin vom FC Bayern nach ihrem zweiten Kreuzbandriss in jeder Hinsicht gestärkt zurückgekommen ist. »Ich möchte Verantwortung übernehmen und das auch verkörpern«, sagte Giulia Gwinn, die zuletzt schon die Elfmeter sicher verwandelt hatte: »Da gehe ich voran, verstecke mich nicht. Wer sich wegduckt, bewirkt nichts.« Starke Worte der 24-Jährigen, die schon länger als das Gesicht der deutschen Fußballerinnen gilt.

Neue Hierarchie

Gwinns Beförderung illustriert einen wichtigen Prozess, der nächsten Generation in tragende Rollen zu verhelfen. Weshalb auch ihre künftige Klubkollegin Lena Oberdorf mit 22 Jahren zur Stellvertreterin ernannt wurde. Insofern logisch, als die im Sommer von Wolfsburg nach München wechselnde Mittelfeldabräumerin auf dem Platz eine natürliche Autorität abgibt.

Zur Garde jener mit neuer Gewinner-Mentalität gehört zwingend noch Sjoeke Nüsken, die in London beim FC Chelsea die vielleicht bemerkenswerteste Entwicklung aller Nationalspielerinnen hingelegt hat. Die 23-Jährige profitiert nach eigenem Bekunden von »so vielen guten Mitspielerinnen« und dem »robusteren und schnelleren Spiel« in England, um zu einer torgefährlichen Mittelfeldspielerin von internationalem Format zu reifen.

Unter Voss-Tecklenburg flog die frühere Frankfurterin vor zwei Jahren noch aus dem EM-Kader, heute kommt niemand mehr an ihren Qualitäten vorbei. Sie selbst stört sich nicht mal daran, durch das Olympische Fußballturnier keine richtige Sommerpause zu haben: »Man trainiert dafür, dass man Spiele hat. Je mehr, desto besser.« Insofern ist es ihr nur recht, dass es am Montag mit dem DFB-Tross aus Oberösterreich nach Deutschland geht, um tags darauf ein weiteres EM-Qualifikationsspiel gegen Island zu bestreiten. Dann in Aachen, der schönen Kaiserstadt im Dreiländereck, vor vielleicht fast 20 000 Fans am Tivoli.

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