Keine digitale Fahndung gegen rechts

Wie das BKA mit Werbefirmen nach Untergetauchten sucht

Von den 34 Fahndungen über kommerzielle »Stadtinformationsanlagen« betrafen die meisten Tötungsdelikte, mindestens drei erfolgten zu linken Aktivisten.
Von den 34 Fahndungen über kommerzielle »Stadtinformationsanlagen« betrafen die meisten Tötungsdelikte, mindestens drei erfolgten zu linken Aktivisten.

Seit 2020 arbeitet das Bundeskriminalamt (BKA) bei Öffentlichkeitsfahndungen mit der Firma Ströer aus Leverkusen zusammen; ein Jahr später folgte ein weiterer Vertrag mit der Firma Cittadino aus Düsseldorf. Die beiden Auftragnehmer veröffentlichen seitdem Aufrufe der zuständigen Landeskriminalämter über ihre bundesweit aufgestellten digitalen Monitore.

Der Datenschutz-Blog »Freiheitsfoo« hat mehrere Anfragen zu den Vertragsbedingungen für diese »digitalen Medienträger« an das BKA gerichtet: Was lässt sich die Behörde die Fahndungen mithilfe privater Firmen kosten? Man habe das Interesse an der Auskunftserteilung gegen das schutzwürdige Interesse der Kooperationspartner abgewogen, hieß es aus Wiesbaden. Diese Abwägung sei zugunsten der Privatunternehmen ausgegangen – eine Auskunft gab es also nicht.

Die Aktivisten von »Freiheitsfoo« wollten auch wissen, wie viele solcher Maßnahmen es bislang gegeben hat. »Insgesamt können 34 Öffentlichkeitsfahndungen über diese Kanäle in den Unterlagen unserer für Öffentlichkeitsfahndungen zuständigen Organisationseinheit nachvollzogen werden«, schreibt das BKA. Die Zahl ist aber nicht valide: So sei »nicht auszuschließen«, dass einzelne Einträge aus Datenschutzgründen bereits wieder gelöscht wurden.

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»Freiheitsfoo« vermutete auch, dass die Fahndungen mit den Firmen Ströer und Cittadino vor allem gegen linke Aktivisten vorgenommen werden – obwohl sechsmal so viele Rechtsextreme als untergetaucht gelten. Diesen Verdacht bestätigt das BKA auf Nachfrage des »nd«: Von den seit 2020 über »digitale Informationsanlagen« veröffentlichten Fahndungsaufrufen sei keiner dem Bereich der rechtsextrem politisch motivierten Kriminalität (PMK – rechts –) zuzuordnen. Indes wurde mindestens eine Fahndung im Bereich PMK – links – über die Monitore ausgestrahlt; diese richtete sich gegen Johannes G., einen Verdächtigen im Komplex »Antifa Ost«.

Jedoch hat das BKA mithilfe der digitalen Werbeträger in den vergangenen Monaten auch nach den mutmaßlichen RAF-Angehörigen Burkhard Garweg und Ernst-Volker Staub gesucht. Diese fallen wohl unter die zwei Fahndungen wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung, die das BKA für 2024 angibt.

Den Löwenanteil der Fahndungen über die sogenannten Stadtinformationsanlagen machten jedoch 21 Tötungsdelikte aus. Hinzu kommen drei Fälle von sexuellem Missbrauch. Eine Fahndung drehte sich um den Kunstraub 2020 im Grünen Gewölbe in Dresden.

Jetzt will »Freiheitsfoo« mit einer Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz die Verträge mit den Werbefirmen ausgraben. Eine Anfrage über die Plattform »Frag den Staat« muss das BKA bis zum 24. April beantworten. In der Vergangenheit wurden derartige finanzielle Vereinbarungen jedoch mit Blick auf das Geschäftsgeheimnis von den Behörden zurückgehalten.

In Hamburg hat sich die Initiative Hamburg Werbefrei der zunehmenden Nutzung digitaler Infotafeln durch die Behörden angenommen. Dort hatte der Senat nach der Corona-Pandemie den Werbefirmen Wall und Ströer wegen »krisenbedingter Einnahmeausfälle« Zahlungen gestundet und eine Verlängerung der Vertragslaufzeit um drei Jahre ohne Ausschreibung bis Ende 2026 geschenkt. »In beispielloser Geschwindigkeit« sei die Stadt seitdem mit Werbemonitoren vollgestellt worden, beklagt die Hamburger Linksfraktion.

»Mittels Zehntausender Monitore hat sich der Ströer-Konzern täglichen Zugang zum Bewusstsein der Bürger geschaffen«, sagt dazu Martin Weise, Mitinitiator von Hamburg Werbefrei gegenüber »nd«. Die Vermischung von Nachrichten, Werbung, amtlichen Mitteilungen wie Katastrophenschutzwarnungen und Fahndungsaufrufen sei aus demokratischer Sicht hochproblematisch.

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