Armutsgefährdung: Vier W-Fragen zur Sozialpolitik

Sarah Yolanda Koss über die anhaltend hohe Armutsgefährdung in Deutschland

Für Armutsbetroffene steht die Ampel auf Rot.
Für Armutsbetroffene steht die Ampel auf Rot.

Wie hieß es noch gleich im Koalitionsvertrag der Ampel? »Wir werden den Sozialstaat bürgerfreundlicher, transparenter und unbürokratischer machen und ihn auf die Lebenswirklichkeiten unserer Zeit ausrichten.« Nun, an dieser Stelle konnten wir bereits ahnen, dass sich die Reformen eher in Digitalisierungsoffensiven erschöpfen würden, als soziale Ungleichheiten wirksam zu bekämpfen.

Eine EU-Statistik zu Einkommen und Lebensbedingungen bestätigt das. Von 2022 bis 2023 hat sich der Anteil der in Deutschland von Armut oder Ausgrenzung bedrohten Menschen kaum verändert. Er bleibt, gerade für ein reiches Land wie Deutschland, mit 21,2 Prozent, erschreckend hoch.

Und was tut die Ampel? Sie bleibt ihrem Koalitionsvertrag treu und hält daran fest, Sozialpolitik auf Debatten über Bürokratie zu reduzieren. Noch am Dienstag forderte Finanzminister Christian Lindner einen neuen Gesetzentwurf zur Kindergrundsicherung. Offiziell, um 5000 Beamtenstellen zu vermeiden. Inoffiziell, weil der FDP Sozialausgaben ein Graus sind. Obwohl inzwischen mehr als jedes fünfte Kind in Armut aufwächst. Ähnlich verfährt die Ampel bei der älteren Bevölkerung. Hier stabilisiert sie lediglich das Rentenniveau und zementiert damit den Status quo der zunehmenden Altersarmut. Und auch das Bürgergeld verfällt zu einem Projekt digitaler Transformation.

Wie sieht die deutsche Armutsquote im EU-Vergleich aus? Das bleibt spannend. Die Hälfte der Daten anderer Staaten ist noch nicht veröffentlicht. 2022 waren Deutsche noch knapp weniger armuts- und ausgrenzungsgefährdet als im EU-Durchschnitt.

Wo führt das alles hin? Nicht in Richtung eines starken Sozialstaats. Eher zu einer neuen Auslegung des Wortes »bürgerfreundlich«.

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