Doku »Ein Traum von Revolution«: Als die Tür kurz offen war

Regisseurin Petra Hoffmann besucht für ihren neuen Dokufilm Protagonisten der Revolution in Nicaragua von 1979

  • Benjamin Moldenhauer
  • Lesedauer: 3 Min.
Gelebte Solidarität: Allein aus aus Westdeutschland kommen 15 000 Brigadistinnen und Brigadisten nach Nicaragua.
Gelebte Solidarität: Allein aus aus Westdeutschland kommen 15 000 Brigadistinnen und Brigadisten nach Nicaragua.

Der Zweck aller Revolutionen sind die Freude und das Glück, sagt die nicaraguanische Schriftstellerin Gioconda Belli, die im Exil, unter anderem in Costa Rica, lebt. Die Regisseurin Petra Hoffmann hat in ihrem Dokumentarfilm »Ein Traum von Revolution« den Bogen nachgezeichnet, vom Aufbruch und der Euphorie beim Sieg der Sandinist*innen über den damaligen Diktator Anastasio Somoza Debayle, hin zum Scheitern 1990 und der Katastrophe von 2006. Zuerst aber wird aufgebaut: Schulen, die medizinische Versorgung, und das Land wird neu verteilt. Großgrundbesitzer werden enteignet. Zugleich beginnt der nächste Kampf, ein Bürgerkrieg zwischen den Revolutionärinnen und Revolutionären und den von den USA finanzierten Contras.

Im ersten Teil ihres Film erzählt Hoffmann diese Geschichte aus der Sicht der Linken aus den westlichen Ländern, die in den Achtzigerjahren nach Nicaragua gegangen sind, um, wie es damals hieß, »praktische Solidarität« zu üben. Auf den Feldern, beim Bau von Häusern, Brunnen und Straßen, bei der Alphabetisierung des Landes. Aus Westdeutschland kommen 15 000 Brigadistinnen und Brigadisten. Es gab im Nachkriegsdeutschland kein Ereignis, das eine derartige Solidarisierungswelle in der internationalistischen Linken zur Folge hatte wie die Revolution in Nicaragua 1979.

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Die Archivaufnahmen, die Hoffmann kompiliert hat, zeigen begeisterte Menschen, die auf einmal die Möglichkeit haben, etwas anderes mit ihrem Leben zu machen als von Haus aus vorgesehen. Petra Hoffmann war während ihrer Zeit als Studentin in Nicaragua und ihr Film ist nicht zuletzt eine autobiografische Rückschau. Durch die Interviews mit den altgewordenen Aktivistinnen und Aktivisten heute zieht sich der Eindruck, dass sich hier für kurze Zeit etwas geöffnet hat: Möglichkeiten der gesellschaftlichen Neugestaltung. Was abstrakt klingt, wurde konkret in der Erfahrung, gemeinsam etwas zu bauen und zu kreieren, das keinen etablierten ökonomischen oder zumindest keinen marktwirtschaftlich verfassten Mechanismen unterworfen war.

Die Repression der Contras wird in »Ein Traum von Revolution« zusammen mit der Aufrechterhaltung der Wehrpflicht durch die Sandinisten und der aus der Somoza-Zeit übernommenen und trotz aller Bemühungen fortdauernden Mangelwirtschaft als Grund für das Scheitern der Revolution genannt. 1990 gewann die antisandinistische Unión Nacional Opositora überraschend die Wahl. Der Traum, von dessen Ende Hoffmann vor allem erzählt, zerbricht vollends noch nicht an diesem Punkt, sondern erst sechzehn Jahre später, mit dem Wahlsieg des Sandinisten Daniel Ortega, der sich schnell zum Diktator entwickelt und frühere Mitstreiter*innen verhaften und umbringen lässt. Der zweite Teil des Films rückt den Fokus weg von der Solidarität der Linken des Westens und beschreibt das Leben der früheren Kämpfer*innen im Exil gegen das Regime des Genossen von einst.

»Ein Traum von Revolution« ist ein Film über das Scheitern, und ist darin, trotz seines durchweg nüchternen Gestus, sehr traurig. Das Scheitern der Revolution wird nicht als notwendig erzählt, aber im direkten Vergleich – auf der einen Seite die Contras und später die uniformierten Polizei-Bataillone der Ortega-Regierung, auf der anderen vergleichsweise feingliedrige Revolutionär*innen, Musiker*innen und Schriftsteller*innen – zeigt sich, dass die unmittelbare Gewalt es leichter hat auf dem Weg zum Sieg.

In der Rückschau bleibt aber ein Blick für das Mögliche erhalten. »Ein Traum von Revolution« bringt keine komplexe Analyse von Revolutionen und ihrem Scheitern vor, sondern geht von den Menschen aus, die damals mit ihren Körpern, ihrer Arbeit und ihrer Kunst (Schriftsteller*innen und Musiker*innen spielten in Nicaragua und damit auch in diesem Film eine große Rolle) direkt involviert waren. Erstaunlicherweise romantisiert der Film diese Geschichte nicht. Und schafft es trotzdem eine Montage zu finden, die nicht nur die Gewalt und die Repression dokumentiert, sondern auch den Schmerz und die Trauer im Angesicht der gescheiterten Möglichkeiten.

»Ein Traum von Revolution«: Deutschland 2024, Regier: Petra Hoffmann. 109 Minuten. Läuft im Kino.

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