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Steuervorteile für Reiche: Es ist eine Klassenfrage
Felix Sassmannshausen zur Steuerbegünstigung für Reiche
Die neue Oxfam-Studie zeigt, dass auch in Deutschland Multimillionäre und Milliardäre, gemessen an ihrem Einkommen und Vermögen, einen deutlich geringeren Steueranteil bezahlen als lohnabhängig Beschäftigte. Die Erklärung: Letztere bestreiten ihre Einkommen durch Arbeit, die verhältnismäßig hoch besteuert wird. Reiche leben in der Regel von ihrem Kapitalbesitz, der gering belastet wird.
Dass Finanzminister Christian Lindner bislang jedweden zaghaften und kaum ernst gemeinten Vorstoß von Grünen und SPD abblockt, hieran etwas zu ändern, folgt gängigen kapitalistischen Logiken. Denn das mit der sozialen Ungleichheit ist so eine Sache: Zwar produziert die Gesellschaft einen enormen Waren- und Geldreichtum, doch ist der stets auch höchst ungleich verteilt. Klassenselektivität des Staates ist hier das Stichwort aus der materialistischen Staatstheorie. Dadurch finden die Interessen des Kapitals strukturell leichter Zugang zu den Korridoren der Macht als jene der Lohnabhängigen. Und das zeigt sich auch an der Steuergesetzgebung, die alle Staatsbürger zwar abstrakt gleich behandelt, das Kapital aber tendenziell begünstigt.
Das ist auch eine Frage des Kräfteverhältnisses zwischen den Klassen, das in den Gesetzen verdichtet zum Ausdruck kommt. Und da muss man nüchtern festhalten: Die haben sich in den letzten 30 Jahren nicht gerade zugunsten der Beschäftigten entwickelt. Deshalb sind die Forderungen nach der Einführung einer Vermögens- und Erbschaftssteuer sowie nach einer Erhöhung der Abgaben für große Einkommen zwar gut und unterstützenswert, wie auch in der Oxfam-Studie hoffnungsvoll vorgebracht. Doch wichtiger als Appelle wäre wohl die Bewegung, die sie durchsetzen könnte. Und dafür müsste sie gesamtgesellschaftlich offensiver gestellt werden, die Klassenfrage.
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