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Neuer Anlauf für globale Steuergerechtigkeit
Internationale Gewerkschaften wollen Druck auf beginnende UN-Verhandlungen aufbauen
Seit Montag beraten die Mitglieder der Vereinten Nationen über eine neue internationale Steuerordnung. Angesichts der Schuldenkrise vieler Staaten im Globalen Süden gelten die Gespräche als historisch. »Es geht darum, faire Steuerrechte zu sichern, illegale Finanzströme zu stoppen und sicherzustellen, dass multinationale Unternehmen und reiche Privatpersonen ihren Anteil zahlen«, erklärte Jeannie Manipon von der Initiative Globale Allianz für Steuergerechtigkeit zum Auftakt.
Nach Donald Trumps Rückkehr ins Weiße Haus hat die US-Regierung das internationale Steuerabkommen der OECD-Staaten verlassen. Die OECD, die führende Organisation westlicher Industrieländer, koordiniert deren Wirtschafts-, Handels- und Entwicklungspolitik. Das Steuerabkommen war nach jahrelangen Verhandlungen beschlossen worden und sah eine globale Mindestbesteuerung von Unternehmen und Maßnahmen gegen Steuervermeidung vor.
Kritik am OECD-Abkommen gab es reichlich: Es bevorzuge reiche Länder, da Steuern vor allem am Konzernsitz erhoben würden, bemängelt die Globale Allianz für Steuergerechtigkeit. Zudem erfordere es eine physische Präsenz der Firmen, was digitalen Dienstleistungsunternehmen wie Google, Meta oder KI-Firmen zahlreiche Schlupflöcher biete.
USA nehmen weiterhin nicht teil
Auch an den nun beginnenden UN-Beratungen nehmen die USA nicht teil. »Die Ziele eines künftigen UN-Rahmenabkommens zur internationalen Steuerkooperation passen nicht zu den Prioritäten der USA«, erklärte Jonathan Shrier, stellvertretender US-Vertreter beim Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen, bereits im Februar.
Die Abwesenheit der USA kann eine Chance sein, meint Séverine Picard, Gründungsdirektorin von Progressive Policies. Das Beratungsunternehmen koordiniert ein Netzwerk von über 80 Gewerkschaften weltweit, die sich für Steuergerechtigkeit einsetzen. »Es ermöglicht anderen Delegationen, konstruktiver zu debattieren und ehrgeizigere Ergebnisse zu erzielen«, sagt die Expertin im Gespräch mit »nd«. Picard begleitet seit sieben Jahren internationale Steuerverhandlungen. Bei der OECD sei ohne eine Einigung zwischen den USA und Europa nichts vorangegangen. Nun zeichnet sich ab, dass die EU-Länder neue Partner außerhalb der USA finden müssen.
Vor diesem Hintergrund wollen Gewerkschaften die aktuellen UN-Beratungen beeinflussen. »Die Verhandlungen sind eine historische Chance, die Ungerechtigkeit eines globalen Steuersystems zu beenden, das Beschäftigte benachteiligt«, sagte Luc Triangle, Generalsekretär des Internationalen Gewerkschaftsbunds (ITUC). Für Mittwoch hat ITUC gemeinsam mit der globalen Dienstleistungsgewerkschaft Public Services International und Progressive Policies Gespräche mit UN-Delegierten organisiert. Auch Vertreter des von Lars Klingbeil (SPD) geführten Bundesfinanzministeriums nehmen teil.
Steuervermeidung aufzeigen
»Wir wollen direkte Kommunikationskanäle zwischen Gewerkschaftsvertretern aus dem Globalen Süden und Delegierten des Globalen Nordens schaffen«, erklärt Picard. »Es geht darum, die Folgen von Steuervermeidung durch multinationale Unternehmen für Beschäftigte aufzuzeigen.« Geringe Steuereinnahmen führten in ärmeren Ländern zu weniger öffentlichen Investitionen, schlechteren Arbeitsbedingungen und Jobverlusten.
Die Gewerkschaften verfolgen drei zentrale Ziele. Erstens sollen Unternehmenssteuern dort erhoben werden, wo die Wertschöpfung und Arbeit stattfinden – nicht am Firmensitz. Wirtschaftliche Aktivitäten wie Rechnungsstellungen sollen als Grundlage für die Besteuerung ausreichen, statt einer physischen Präsenz. App-basierte Unternehmen wie Uber fallen derzeit aus den internationalen Steuerregeln heraus.
Zweitens wollen die Gewerkschaften, dass Schiedsverfahren ausschließlich zwischen Staaten geregelt werden. Aktuelle Pläne sehen vor, dass auch in den UN-Verhandlungen Schlichtungen zwischen Konzernen und Staaten möglich sind. »Viele Gewerkschaften haben mit solchen Verfahren im internationalen Handel schlechte Erfahrungen gemacht, weil private Unternehmen extrem mächtig sind«, erklärt Picard. Drittens fordern die Gewerkschaften mehr Transparenz bei Unternehmensgewinnen und Steuerzahlungen. Das sei vor allem für Lohnverhandlungen entscheidend.
Die Verhandlungen laufen bis 2027, bis dahin stehen die Gewerkschaften vor einigen Hürden. Nach dem Rückzug der Trump-Administration ist unklar, wie die Verhandlungen finanziert werden. Zudem bleibt fraglich, ob die USA ein Abkommen akzeptieren, das sie nicht mitverhandelt haben – zumal das Land Sitz der größten Tech-Konzerne der Welt ist.
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