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Oxfam-Studie: Steueroase für Milliardäre

Laut Studie zahlen Kapitaleigner in Deutschland weniger Abgaben als Lohnabhängige

  • Felix Sassmannshausen
  • Lesedauer: 3 Min.
Reiche zahlen gemessen an ihrem Vermögen deutlich weniger Steuern als Arme, weshalb Forderungen nach Steuergerechtigkeit lauter werden.
Reiche zahlen gemessen an ihrem Vermögen deutlich weniger Steuern als Arme, weshalb Forderungen nach Steuergerechtigkeit lauter werden.

73 Milliarden Euro. So viel könnte die Bundesregierung an Mehreinnahmen generieren, wenn sie eine Vermögenssteuer nach Schweizer Modell einführte. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie der Ökonominnen Julia Jirmann vom Netzwerk Steuergerechtigkeit und Barbara Schuster vom österreichischen Momentum Institut, die am Donnerstag vorgestellt wurde. Im Auftrag der internationalen Entwicklungsorganisation Oxfam haben sie gemeinsam mit Isabel Martinez von der ETH Zürich erstmals die effektive Steuerbelastung von Milliardär*innen in Deutschland, Österreich und der Schweiz analysiert.

Aus den Modellrechnungen der drei Ökonominnen geht hervor: Sogenannte Superreiche in Deutschland und Österreich werden mit nur rund 26 Prozent effektiv weit unter dem Höchststeuersatz von 47,5 Prozent besteuert. In der Schweiz zahlen Vermögende mit bis zu 32 Prozent dagegen verhältnismäßig mehr am Gesamtsteueraufkommen. Der Höchstsatz liegt dort bei 41,5 Prozent.

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Ursachen für die de facto niedrige Besteuerung von Reichen in Deutschland und Österreich sind insbesondere Sonderregelungen und Steuerprivilegien für große Vermögen und Einkommen. So könnten Anteile an Unternehmen etwa über vermögensverwaltende Gesellschaften gehalten werden. Erst wenn daraus Gewinne ausgeschüttet werden, würden Steuern fällig.

Doch seien Reiche und Superreiche in der Regel auf das Geld nicht angewiesen. »Die Vermögen können niedrig versteuert reinvestiert werden«, erklärte Jirmann. So könnten über Jahre Steuern vermieden werden, während der Reichtum weiter zunimmt. »Deutschland ist eine Steueroase für Superreiche«, spitzte sie die Ergebnisse der Studie zu.

Für Mittelstandsfamilien seien Deutschland und Österreich dagegen Hochsteuerländer. Denn für diese liegt der effektive Steuersatz laut Studie mit durchschnittlich 43 Prozent nur knapp unter dem Höchststeuersatz – wenn man die Sozialabgaben und die Arbeitgeberbeiträge mitberücksichtigt. Die Folge sei eine wachsende soziale Ungleichheit.

Vor dem Hintergrund fordert Jirmann, dass Steuern auf Vermögenseinkommen aus Unternehmensbeteiligungen erhöht werden. »Und Deutschland muss sich trauen, die Vermögenssteuer wieder einzuführen.« Dabei könne die Schweiz als Vorbild dienen: Dort sorgt eine solche Abgabe zusammen mit Steuern für Unternehmenskapital für rund sieben Prozent der Einnahmen.

Positiv hoben die Ökonominnen auch den Vorstoß des brasilianischen Finanzministers Fernando Haddad hervor, der im Rahmen der G20-Verhandlungen eine Vermögenssteuer für Superreiche von zwei Prozent vorschlug. Und zuletzt hatte auch US-Präsident Joe Biden, eine Mindeststeuer von 25 Prozent auf Einkommen von Superreichen zur Debatte gestellt.

Das scheint mit der Bundesregierung indes aktuell nicht machbar. Zwar sprechen sich Teile von SPD und Grünen für eine Vermögenssteuer aus. Doch Finanzminister Christian Lindner stellt sich quer, weil sie Investitionen hemmen würde.

Dass niedrige Steuern unmittelbar mit Investitionen von Unternehmen zusammenhingen, bestreiten die Ökonominnen. »Das ist eine falsche Vorstellung«, kritisierte Jirmann auf nd-Nachfrage. Für unternehmerische Entscheidungen seien eher der Arbeitskräftemangel und bürokratische Hürden prägend, erklärte sie.

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