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Gemeinsame Ideale

Die Gesellschaft Portugal–DDR wirkte für Austausch und Zusammenarbeit

  • Rainer Bettermann
  • Lesedauer: 4 Min.
Mit einem breiten Programm präsentierte sich der sozialistische deutsche Staat 1977 auf der »Woche der DDR«.
Mit einem breiten Programm präsentierte sich der sozialistische deutsche Staat 1977 auf der »Woche der DDR«.

Am 25. April 2024 versammelt sich an der Praça José Fontana in Lissabon eine kleine froh gestimmte Gruppe, um am festlichen Umzug aus Anlass der Nelkenrevolution vor fünfzig Jahren teilzunehmen. Hier hatte die Gesellschaft Portugal–DDR einst ihren Sitz. Nostalgie? Utopie? Träumerei?

»Die DDR war eines dieser Länder, von denen ich glaubte, dass sich ein Kennenlernen lohnen würde«, erinnert sich Ana Paula. »Wenn das faschistische Regime deren Existenz verheimlichte, müsste es sicherlich diesem völlig entgegengesetzte Eigenschaften besitzen. Ich glaubte also daran, dass die DDR ein Modell dafür sein könnte, wie ich mir mein Land wünschte.«

Die Bewegung der Streitkräfte (Movimento das Forças Armadas) stürzte am 25. April 1974 das Caetano-Regime und machte den Weg zu einer Demokratisierung Portugals frei. Dazu gehörte es nach dem Willen der aufständischen Hauptleute, zu allen Ländern Beziehungen auf der Basis von Freundschaft und Zusammenarbeit herzustellen sowie die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit zu garantieren.

So konnte bereits im Juni 1974 auf Initiative des Schriftstellers Fernando Namora eine Liga »zum kulturellen, sozialen und wissenschaftlichen Austausch mit den sozialistischen Völkern« gegründet werden, unter deren Dach die Associação Portugal-RDA als eingetragener Verein unter der Leitung des Musikologen João de Freitas Branco und des Schriftstellers Alexandre Feio dos Santos Babo entstand. Am 4. Dezember 1974 wurde im Teatro Municipal São Luíz von Lissabon ihre Gründung in Anwesenheit einer repräsentativen Delegation der DDR und ihres ersten Botschafters in Portugal, Erich Butzke, öffentlich verkündet.

Associação Portugal-RDA: Gemeinsame Ideale

Zwei Jahre später übermittelte Klaus Steiniger, der Journalist mit »diplomatischem Background«, wie er sich selbst sah, die Glückwünsche des Komitees DDR-Portugal. Dieses war am 27. Juni 1975 als Partner der Associação bei der Liga für Völkerfreundschaft der DDR gebildet worden. Klaus Steiniger war bereits am 13. Mai 1974 als Sonderkorrespondent der SED-Zeitung »Neues Deutschland« in Portugal eingereist und berichtete regelmäßig, parteilich, kundig und nicht selten mit revolutionärem Pathos von der Situation dort.

Die Bestrebungen des Vereins, »gegenseitiges Kennenlernen, den kulturellen, sozialen und wissenschaftlichen Austausch im Interesse von Zusammenarbeit und des Friedens zu begründen und zu beleben«, korrespondierten sowohl mit den außenpolitischen Zielen der DDR als auch mit den politisch-ideologischen Prinzipien der SED, wobei die breite Bevölkerung der DDR aufgrund der beschränkten Reisefreiheit ausgeschlossen war.

Ausstellung in Berlin-Friedrichshain

Portugal 74 Nelkenrevolution

Chronik eines Aufbruchs zu Freiheit, Fortschritt und Demokratie. Eine Ausstellung von Peter Steiniger, Claudia Opitz und Sebastian Köpcke

Franz-Mehring-Platz 1, 10243 Berlin

www.muenzenbergforum.de/portugal-74

Donnerstag, 25. April, 18.30 Uhr, Foyer

Ausstellungseröffnung mit dem Ernst-Busch-Chor, Redebeiträgen und einem Konzert von Higino Andrade und Manuel Matos

Sonntag, 28. April, 13 bis 20 Uhr

Festa da Liberdade: Das »Fest der Freiheit« mit Ständen, Filmprogramm, Musik und Gesang. 16.30 Uhr: Vorführung des Dok-Films »Prazer, Camaradas«, Debatte mit Zeitzeugen

Sonntag, 2. Juni, 13 bis 20 Uhr

Portugal em Festa (Portugal feiert): Finissage und portugiesisches Kulturfest. Musik, Imbiss und Getränke, Workshops, Filme über die Diktatur und den 25. April 1974.

Auch als sich Portugal nach dem 25. November 1975 von einer sozialistischen Perspektive abwandte und den Weg zu einer Demokratie nach westlichem Muster einschlug, konnte die Associação mit Unterstützung aus der DDR ihre Aktivitäten zur Popularisierung eines attraktiven Bildes vom Sozialismus erfolgreich gestalten.

1979 war wohl das beste Jahr der Gesellschaft, wie Alexandre Babo rückblickend feststellte. Die Anzahl der Mitglieder betrug bereits 6000 und ein Netz von 27 Ortsgruppen erstreckte sich über das ganze Land. Die vierteljährlich für die Mitglieder erscheinende Zeitschrift »Novos Caminhos« erreichte eine Auflage von 7500 Exemplaren.

Aufwendig und publikumswirksam wurde der 30. Jahrestag der DDR in Lissabon, Almada, Alhandra, Arganil, Barreiro, Cova da Piedade, Coimbra, Elvas, Estremoz, Évora, Mafra, Marinha Grande, Montijo, Moita, Santarém, Setúbal und Torres Novas begangen. Im repräsentativen Lissabonner Veranstaltungsort Pavilhão dos Desportos fand vor 4500 Besuchern die Eröffnungsveranstaltung statt und im Gebäude der Nationalen Gesellschaft der Schönen Künste wurde die hoch frequentierte Ausstellung »DDR – 30 Jahre kulturelle, soziale und wissenschaftliche Entwicklung« gezeigt.

Die Associação gewann 40 bekannte Personen aus allen Bereichen des öffentlichen Lebens für eine Ehrenkommission. Mit dabei waren der berühmte Fado-Sänger Carlos do Carmo, der Schriftsteller José Saramago, der Fußballtrainer Artur Jorge sowie der ehemalige Präsident der Republik, General Francisco da Costa Gomes. Gefragt waren die landesweit durchgeführten Deutschkurse, die von der DDR durch Entsendung von Lektoren und Lehrmaterial unterstützt wurden.

Durch die tiefe Systemkrise der DDR Ende der 80er Jahre geriet auch diese Arbeit zunehmend in schweres Fahrwasser. Mit der deutschen Einheit am 3. Oktober 1990 und dem damit verbundenen Ende der DDR war auch das Ende der Associação Portugal–RDA besiegelt.

Es ist der 25. April 2024: Die portugiesisch-deutsche Gruppe an der Praça José Fontana reiht sich ein in den Festzug. 25 de Abril sempre!

Dr. Rainer Bettermann (geb. 1944) war bis 2009 Dozent für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Von 1976 bis 1981 wirkte er als Deutschlektor an der Associação Portugal–RDA in Lissabon. Übersetzungen: José Saramago: »Hoffnung im Alentejo« und »Das Todesjahr des Ricardo Reis«.

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