Neues Wahlszenario in Venezuela

Rechte Opposition einigt sich überraschend auf eine gemeinsame Kandidatur. Nun ist die Regierung am Zug

  • Tobias Lambert
  • Lesedauer: 4 Min.

Lange Zeit sah es nicht danach aus, als würde sich die rechte Opposition noch auf eine gemeinsame Präsidentschaftskandidatur einigen können. Doch Freitagabend verkündete Omar Barboza, Generalsekretär des bedeutendsten Oppositionsbündnisses »Plataforma Unitaria Democrática« (PUD), dann die Entscheidung. »Ich habe eine sehr gute Nachricht für die venezolanische Bevölkerung«, erklärte er gegenüber der Presse. Die zehn Mitgliedsparteien stellen sich demnach »einstimmig« hinter die Kandidatur des Ex-Diplomaten Edmundo González Urrutia.

Führende Politiker aus den Reihen des PUD-Bündnisses bekräftigten in dem sozialen Netzwerk X (vormals Twitter) anschließend ihre Zustimmung. »Venezolaner, wir schreiten voran«, ließ Oppositionsführerin María Corina Machado verlauten, die bei der anstehenden Präsidentschaftswahl am 28. Juli nicht antreten darf. Der zweifache Präsidentschaftskandidat Henrique Capriles drückte seine »absolute Unterstützung« aus. Die Universitätsprofessorin Corina Yoris, der die Einschreibung als Ersatzkandidatin für Machado seitens des Nationalen Wahlrates Ende März ohne Begründung verwehrt worden war, erklärte, die Kandidatur habe »selbstverständlich auch meinen Rückhalt«.

Die Einigung ist durchaus überraschend. Das PUD-Bündnis hatte González Urrutia zunächst lediglich als Platzhalter eingeschrieben, um Zeit zu gewinnen. Die Frist zur Änderung von Kandidaturen endete offiziell am Samstag. Die PUD-Mitgliedspartei »Un Nuevo Tiempo« (UNT) stellte Ende März zudem den Gouverneur des westlichen Bundesstaates Zulia, Manuel Rosales, als Kandidaten auf. Dieser trat bereits 2006 als Präsidentschaftskandidat gegen Chávez an, ist vor allem lokal verwurzelt und gilt innerhalb der Opposition als zu nachgiebig gegenüber der Regierung. Rosales hielt Wort und zog seine Kandidatur am Samstag zurück.

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Darüber hinaus hatten sich zehn weitere moderate Regierungsgegner eingeschrieben, die das PUD-Bündnis überwiegend als eine »gekaufte« Opposition ansieht. Linke Gegenkandidaturen zu Präsident Maduro wurden nicht zugelassen.

Über eine Unterstützung von Rosales gab es innerhalb des Oppositionsbündnisses jedoch keinen Konsens. Vor allem sprach sich Machado dagegen aus. Da sie am 22. Oktober die von der Opposition selbst organisierte Vorwahl ohne ernstzunehmende Konkurrenz gewonnen hatte, führte an ihrer Positionierung aus oppositioneller Sicht jedoch kein Weg vorbei.

Die Regierung sieht Machado nicht als akzeptable Bewerberin an. In den vergangenen Jahren hatte sie sich offen für Sanktionen sowie eine US-Militärintervention in Venezuela ausgesprochen und steht deutlich weiter rechts als die meisten anderen Oppositionspolitiker.

Mit der Einigung auf González erhöht die Opposition den Druck auf die Regierung von Nicolás Maduro. Diese setzte bisher vor allem darauf, die rechte Opposition zu spalten, um die Wahl trotz schlechter Umfragewerte zu gewinnen. Das PUD-Bündnis strebt nach den gescheiterten Umsturzversuchen der letzten Jahre aber mittlerweile einen Machtwechsel über Wahlen an und lässt sich davon bislang auch durch Repressalien seitens der Regierung nicht abbringen.

Die große Frage ist nun, ob der Nationale Wahlrat (CNE) die bereits eingeschriebene Kandidatur von González weiterhin akzeptiert und die Streichung Rosales’ von den Wahlzetteln zulässt. Die Frist zum Austausch von Kandidaturen verlängerte der CNE am Samstag um 72 Stunden, der Hintergrund ist unklar. Eine direkte Reaktion der Regierung blieb zunächst aus.

Allerdings veröffentlichte der staatliche Fernsehsender VTV am Samstag ein offenbar 2015 abgehörtes Telefongespräch, in dem sich mutmaßlich González despektierlich über Frauen, Homosexuelle, Afro-Venezolaner und Indigene äußert. Dies könnte auf eine beginnende Schmutzkampagne hindeuten.

Die Herausforderung für die rechte Opposition besteht darin, die hohen Umfragewerte für Machado auf den weitgehend unbekannten Gónzalez zu übertragen. In der Öffentlichkeit ist er bisher kaum in Erscheinung getreten und hat sich seit der Entscheidung des PUD-Bündnisses am Samstag noch nicht geäußert.

Die Einigung eröffnet die Möglichkeit eines neuen politischen Szenarios, das auch Auswirkungen auf die US-Sanktionen haben könnte. Mit der Begründung, die venezolanische Regierung habe entgegen eines im Oktober geschlossenen Abkommens nicht ausreichend Schritte in Richtung transparenter Wahlen unternommen und gehe repressiv gegen politische Gegner vor, ließ die US-Regierung vergangene Woche bestehende Lockerungen der Sanktionen im Erdöl- und Gassektor auslaufen. Eine Frist von 45 Tagen zur Abwicklung bereits begonnener Projekte bietet allerdings eine Hintertür, um die Entscheidung zu überdenken.

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