Brandenburgs Boden für Bauern zu teuer

Brandenburg braucht einen Deckel für Pacht- und Kaufpreise von Agrarflächen, doch die Koalition versagt

Wohl dem, der Land hat: Ein Bauer mäht ein Feld im Landkreis Oder-Spree.
Wohl dem, der Land hat: Ein Bauer mäht ein Feld im Landkreis Oder-Spree.

Das Scheitern der rot-schwarz-grünen Koalition beim Agrarstrukturgesetz sei eine »Katastrophe für den ländlichen Raum in Brandenburg« und eine »Bankrotterklärung«, beklagt der oppositionelle Landtagsabgeordnete Thomas Domres (Linke) am Mittwoch. »Nun wird der Ausverkauf der Landwirtschaftsflächen ungehemmt weiter gehen«, befürchtet er. Großinvestoren, die ihre Fläche aus der Ferne bearbeiten lassen, ohne die Interessen der Region zu berücksichtigen, statt verwurzelte Bauern, die die Dorfgemeinschaft unterstützen – »das werden wir in Brandenburg zukünftig häufiger sehen«. Und die Preissteigerungen, die den Agrarbetrieben das Leben schwer machen, werden sich fortsetzen, erwartet Domres.

Zwischen 2001 und 2020 ist die durchschnittliche Pachtsumme je Hektar von 73 auf 184 Euro jährlich geklettert, der Kaufpreis von 2585 auf 12 951 Euro gestiegen und damit geradezu explodiert. Das hatte der Abgeordnete Domres bereits im Dezember 2023 im Landtag vorgerechnet, als seine Linksfraktion den Stopp des geplanten Agrarstrukturgesetzes nicht akzeptieren wollte. Es sei »ein Schock« gewesen, als SPD-Fraktionschef Daniel Keller am 4. Dezember bei einem Empfang verkündete, das im Koalitionsvertrag von SPD, CDU und Grünen versprochene Gesetz werde vor der Landtagswahl am 22. September nicht mehr verabschiedet. Es sei doch klar, so Domres: »Wenn das Gesetz jetzt nicht kommt, ist es für längere Zeit gestorben.«

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Es habe zwar viel Kritik am Gesetzentwurf aus dem Hause von Agrarminister Axel Vogel (Grüne) gegeben. Auch Die Linke sei unzufrieden gewesen. Sie hätte sich eine stärkere Berücksichtigung von Ortsansässigen und dem Gemeinwohl bei der Sicherung von Ackerland und Viehweiden gewünscht, erinnerte Domres in der Landtagssitzung vom 14. Dezember.

Die Grünen träumen von vielen kleinen Biobauernhöfen. Sie missachten und geringschätzen die historisch von Rittergütern herrührenden und in der DDR mit Agrargenossenschaften fortgesetzten großen Einheiten, obwohl sie eine effiziente Bewirtschaftung ermöglichen und bei dem verhältnismäßig sandigen und wenig fruchtbaren Boden in Brandenburg nur vernünftig sind. Das sorgte für viel Unverständnis und Verbitterung. Es »bestand immer wieder die Sorge, dass eine gänzliche Neuordnung angestrebt wird«, hatte der Landesbauernverband im Februar festgehalten.

Dennoch hätte man sich »auf den kleinsten gemeinsamen Nenner« einigen können und müssen, findet der Abgeordnete Domres. Man müsste die Pacht- und Kaufpreise deckeln, damit Landwirtschaft auf den Flächen künftig überhaupt noch lohne.

Der SPD-Abgeordnete Johannes Funke hatte im Dezember zu trösten versucht, dass es mit dem Reichssiedlungsgesetz von 1919, dem Grundstücksverkehrsgesetz und dem Landpachtverkehrsgesetz bereits eine »klare und funktionierende, aber wenig praktizierte Rechtsgrundlage« gebe. An einem eigenen Gesetz des Landes Brandenburg werde man zwar nicht vorbeikommen. Doch das vorgelegte Agrarstrukturgesetz sei schwer umsetzbar, da es zu viele offene Fragen gebe.

Dass ein Agrarstrukturgesetz vor der Landtagswahl nicht mehr verabschiedet wird, ist mittlerweile klar. Dies wohl wissend hat Minister Vogel das Thema am Dienstagabend jedoch noch einmal aufgemacht, indem er informierte, dass nun ein überarbeiteter Entwurf auf dem Tisch liege. Ziel sei, »den Ankauf von Flächen durch außerlandwirtschaftliche Investoren zu verhindern beziehungsweise zumindest zu begrenzen«. Es solle eine Genehmigungspflicht für die Veräußerung von mehr als zwei Hektar und ein Vorkaufsrecht eingeführt werden. Danach hätte ein Landwirt, wenn er mit einem landwirtschaftsfremden Kaufinteressenten konkurriert, beim Erwerb Vorrang. Für Verträge zur Pacht von mehr als einem Hektar Land solle eine Anzeigepflicht gelten und die Möglichkeit, solche Verträge zu beanstanden.

Die nächste Regierung müsste unbedingt schnell ein Agrarstrukturgesetz
auf den Weg bringen, findet Domres. »Der von Minister Vogel vorgelegte Entwurf kann dabei leider höchstens als Arbeitsgrundlage, aber nicht als Blaupause dienen.«

Da die Koalitionspartner SPD und CDU bereits deutlich gemacht haben, dass mit ihnen eine politische Einigung vor der Landtagswahl nicht mehr möglich sei, »muss eine kommende Landesregierung hier tätig werden«, fordert Politiker Vogel, der 67 Jahre alt ist und bei der Landtagswahl nicht erneut antritt. Seit Jahren verliere Brandenburg Agrarflächen an landwirtschaftsfremde Konzerne und junge Bauern haben Schwierigkeiten, an Flächen zu kommen, weil sie bei Pacht und Kauf mit den Investoren finanziell nicht mithalten können, erläutert der scheidende Minister.

»Ich unterstütze Minister Vogel in seiner Auffassung, dass ein Agrarstrukturgesetz dringend notwendig ist«, sagt der Oppositionsabgeordnete Domres. »Allerdings lässt der von ihm vorgelegte Gesetzentwurf auch in der neuen Fassung viel zu wünschen übrig. Vor allem brauchen wir eine wirksame Regulierung des Verkaufs von Unternehmensanteilen landwirtschaftlicher Betriebe, die Flächen
besitzen. Denn heutzutage kaufen Investoren nicht mehr nur Flächen,
sondern ganze Betriebe. Da greift der Gesetzentwurf zu kurz.« Auch brauche es einen starken öffentlichen Bodenfonds, der Flächen dauerhaft an ortsansässige und gemeinwohlorientierte Betriebe verpachten könnte.

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