Brandenburg: BSW gründet Landesverband in Schwedt

40 Mitglieder zählt die Wagenknecht-Partei in Brandenburg – mit dabei jetzt der Bürgermeister von Templin

Kanzlerin Merkel und Bürgermeister Tabbert legen 2021 den Grundstein für eine Kita.
Kanzlerin Merkel und Bürgermeister Tabbert legen 2021 den Grundstein für eine Kita.

»Sechs Prozent sind dicht am Abgrund«, warnte Ende Januar Templins Bürgermeister Detlef Tabbert seine Partei angesichts mäßiger Umfragewerte für die Landtagswahl am 22. September. Er sagte es im Templiner Ahorn-Seehotel, wo Brandenburgs Linke ihre Kandidaten für diese Wahl aufstellte. Nun ist es nicht mehr Tabberts Partei. Er ist kurz vor Pfingsten ausgetreten und inzwischen beim Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) eingetreten. Das bestätigt der 62-Jährige »nd« am Mittwoch. Zuvor hatte der »Spiegel« über den Übertritt berichtet.

»Es hat viel Freude gemacht mit dem Landesverband und auch hier im Kreis und in der Stadt«, stellt Tabbert klar. Ihn störe jedoch, wohin die Bundespartei unterwegs sei. Das hatte sich bereits im Januar angedeutet, als der Bürgermeister eine Fokussierung der Linken auf die Großstädte rügte. Für das, was Bundesparteichefin Janine Wissler zu den ländlichen Regionen sage, könne man sich manchmal nur noch entschuldigen, hatte Tabbert bedauert.

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Auch damals schon sprach der Bürgermeister die Asylpolitik an. Die nennt er jetzt auch als einen der Gründe seines Wechsels zum BSW. Die von der Linken kritisierte Bezahlkarte für Asylbewerber einzuführen, hält Tabbert für vernünftig. Wenn auch Asyl ein Menschenrecht sei, an dem nicht gerüttelt werden dürfe – die Einwanderung sollte restriktiver gehandhabt werden, findet er. Und wenn auch das Bürgergeld für Bedürftige keineswegs zu hoch ausgefallen ist, wie Tabbert unterstreicht, so müsste es seiner Ansicht nach doch Sanktionsmöglichkeiten geben – etwa für 22-Jährige, die eine Ausbildung machen oder einen Job annehmen könnten, aber lieber Bürgergeld beziehen, als zu arbeiten. »Die Schnittmengen mit der neuen Partei sind größer«, fasst Tabbert zusammen.

Am Samstag will er nach Schwedt fahren, wo der BSW-Landesverband Brandenburg gegründet werden soll. Dass dies am 25. Mai geschehen werde, war informell schon seit Monaten bekannt, nur der Ort war auch mit Mühe nicht herauszubekommen – bis das Nachrichtenmagazin »Spiegel« jetzt berichtete, es werde in Schwedt geschehen. Der »Spiegel« meldete auch, der Rechtsanwalt Niels-Olaf Lüders, früher Linke-Kreisvorsitzender in Märkisch-Oderland, wolle stellvertretender Landesvorsitzender werden. Das bestätigte Lüders »nd« am Mittwoch genauso wie die übrigen Personalien:

Als Landesvorsitzender bewirbt sich demnach der Arbeitsrichter Robert Crumbach, einst Referent der SPD-Landtagsfraktion. Als zweiter Stellvertreter ist der Krankenpfleger Andreas Kutsche vorgesehen, der Betriebsratschef beim Klinikum in Brandenburg/Havel ist und 2019 bei der Landtagswahl für die Linke antrat, den Einzug ins Parlament aber verpasste. Der BSW-Landesbeauftragte Stefan Roth, der einst dem Linke-Landesvorstand angehörte und mal im Bundestagsbüro von Sahra Wagenknecht beschäftigt war, soll Landesgeschäftsführer werden. Als Schatzmeister bewirbt sich Jernou Chahin, der im südbrandenburgischen Amt Döbern-Land den Fachbereich Ordnung und Sicherheit leitet.

Zu den noch handverlesenen rund 40 BSW-Mitgliedern in Brandenburg gehört mittlerweile auch der ehemalige Landtagsabgeordnete Hans-Jürgen Scharfenberg, der im Dezember 2023 aus der Linken ausgetreten war. Noch als Parteiloser trommelte Scharfenberg ein BSW-nahes Bündnis für Vernunft und Gerechtigkeit zusammen, das im März 31 Kandidaten für die Stadtverordnetenversammlung von Potsdam nominierte. Mit von der Partie ist dabei auch Robert Crumbach, der nun BSW-Landesvorsitzender werden soll.

Auch in anderen Landkreisen Brandenburgs treten bei der Kommunalwahl am 9. Juni BSW-nahe Bündnisse für Vernunft, Frieden und Gerechtigkeit an – darunter in Märkisch-Oderland mit Niels-Olaf Lüders an der Spitze.

Die Gründung des BSW-Landesverbandes in einem Hotel in Schwedt soll in einer nichtöffentlichen Mitgliederversammlung erfolgen, was für einen Gründungsparteitag ziemlich ungewöhnlich ist. Eventuell zu Beginn eine kurze Gelegenheit für Fotografen, Aufnahmen zu machen, und am Ende eine Pressemitteilung – so will dem Vernehmen nach der BSW-Landesverband ins Leben treten, dem für die Landtagswahl im September immerhin aus dem Stand zehn Prozent der Stimmen vorhergesagt werden.

Ob der BSW-Landesverband überhaupt zur Landtagswahl antritt, muss er erst noch förmlich beschließen. Ursprünglich hieß es einmal inoffiziell, diese Frage solle erst nach der Kommunal- und Europawahl vom 9. Juni entschieden werden. Dann würde allerdings die Zeit knapp. Bis zum 5. August muss die Liste beim Landeswahlleiter eingereicht sein. Es sind auch 2000 Unterschriften von Unterstützern vorzulegen, was allerdings keine allzu große Hürde sein dürfte. Immerhin hat im April eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap ergeben, dass 48 Prozent der Brandenburger meinen, es sei »gut, dass es mit dem BSW ein Angebot gibt, das sich stark von dem anderer Parteien unterscheidet«. Es dürfte also nicht so schwierig sein, 2000 Unterstützer zu finden.

Fest steht, dass der BSW-Landesverband mit Hans-Jürgen Scharfenberg einen Mann haben wird, der sich mit den formalen Erfordernissen auskennt und bei einem Antritt zur Landtagswahl beraten kann und soll. Denn die Innenpolitik war im Landtag das Fachgebiet des inzwischen 70-Jährigen. Fest steht auch, dass Detlef Tabbert nicht für den Landtag kandidieren möchte. 2010 wurde er Bürgermeister von Templin, 2018 wurde er für acht weitere Jahre im Amt bestätigt. Seine gegenwärtige Wahlperiode läuft also noch zwei Jahre.

Der Linke-Kreisvorsitzende Andreas Büttner nimmt den Wechsel von Tabbert zum BSW bedauernd zur Kenntnis. »Wir respektieren seine Entscheidung, können seine Beweggründe jedoch nicht nachvollziehen«, erklärt Büttner. »Die Aussage, wir würden uns nicht um die ländlichen Räume kümmern, ist ein vorgeschobenes Argument. Wir haben uns als Linke um den Erhalt der ärztlichen Versorgung, insbesondere des Krankenhauses und der zweiten Kinderarztpraxis, gekümmert.« Zu den Aufgaben für die Zukunft gehöre der soziale Wohnungsbau. Leider werde Templins Linke diese Aufgaben nun nicht gemeinsam mit dem Bürgermeister angehen, sondern die Stadtverwaltung kontrollieren, an deren Spitze Tabbert steht.

In Templin ist Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) aufgewachsen. 2018 beschlossen die Stadtverordneten, Merkel zur Ehrenbürgerin zu machen. Der Bürgermeister, der auch dafür gestimmt hatte, überreichte der Kanzlerin im Februar 2019 die entsprechende Urkunde.

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