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Besetzung an der Humboldt-Universität in Berlin vorerst geduldet

Antiisraelische Aktivisten werfen Polizei nach Uni-Besetzung Gewalt vor

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  • Lesedauer: 3 Min.
Antiisraelische Besetzer an der Humboldt-Universität
Antiisraelische Besetzer an der Humboldt-Universität

»Free, Free Palestine«-Sprechchöre schallten am Mittwochnachmittag durch die Straße vor der Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Humboldt-Universität (HU). Etwa 50 Personen besetzten gegen 16 Uhr das Institut. Sie errichteten Barrikaden und besprühten Wände, während vor dem Gebäude in der Universitätsstraße 300 bis 500 Personen demonstrierten. Auf eine Wand wurde dabei »Intifada!« gesprüht. Der Begriff bezeichnet die arabischen Aufstände im Westjordanland und im Gazastreifen, bei denen zahlreichen israelische Zivilisten durch Anschläge sowie auch Palästinenser ums Leben kamen.

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Im Gegensatz zu der Besetzung der Freien Universität vor zwei Wochen ordnete das Präsidium der HU keine sofortige Räumung der Protestierenden an, sondern duldete die Besetzung zunächst bis Donnerstagabend. Im Verlauf des Tages kündeten die Besetzer allerdings bereits an, das Gebäude länger besetzt halten zu wollen.

Angeführt wurde die Besetzung von der Gruppe »Student Coalition Berlin«, die sich mit dem Protest für ein Ende »des Völkermords in Palästina« und deutscher Waffenlieferungen nach Israel einsetzen, wie sie auf Flyern verbreiteten. Darüber hinaus fordern sie einen »vollständigen akademischen und kulturellen Boykott Israels«. Die »Student Coalition Berlin« zeigte sich bereits für die Besetzung an der FU vor zwei Wochen verantwortlich.

Eine Stunde nach Beginn der Besetzung räumte die Polizei den Haupteingang des Institutes, vor dem Unterstützer*innen der Besetzung demonstrierten und nahm mehrere Personen fest. Gegen einen Festgenommenen wendete ein Polizist einen Schmerzgriff an, woraufhin die Person in Ohnmacht fiel. Sanitäter*innen hatten augenscheinlich Probleme, die Person wieder zu Bewusstsein zu bringen. Eine Anfrage, ob Ermittlungen wegen Körperverletzung gegen den Beamten eingeleitet wurden, ließ die Polizei bis Redaktionsschluss unbeantwortet.

Gegen 19 Uhr betrat eine Delegation des HU-Präsidiums die besetzte Fakultät, um mit den Studierenden zu verhandeln. Währenddessen räumte die Polizei die Straße vor der Fakultät. Eine Sprecherin der Polizei kommentierte am Abend gegenüber »nd«, dass es sich lediglich um eine Verlegung der Versammlung und keine Auflösung gehandelt habe. Der Versammlungsort vor der Fakultät sei »ungeeignet« gewesen. Die Versammlungsteilnehmer*innen seien der Aufforderung der Polizei nachgekommen: »Das ist alles friedlich verlaufen«, erklärt die Polizeisprecherin.

Von einem freiwilligen Wechsel des Versammlungsortes könne nicht die Rede sein, kritisiert die »Student Coalition Berlin« auf nd-Anfrage: »Die Bereitschaft, mit brutaler Gewalt gegen propalästinensische Proteste vorzugehen und verfassungsmäßige Rechte einzuschränken, ist ungebrochen.«

Sanitäter*innen berichteten »nd«, dass sie von der Polizei daran gehindert wurden, die sich im Inneren der Fakultät befindenden Besetzer mit Wasser und Lebensmitteln zu versorgen. Erst nachdem die Duldung der Besetzung verkündet wurde, ließ die Polizei eine Versorgung der Besetzer*innen zu.

In den sozialen Medien wurde den Besetzern Antisemitismus vorgeworfen. Im Fokus der Vorwürfe stehen rote Dreiecke, die an die Wände der Fakultät gesprüht wurden. Dies sei ein antisemitischer Aufruf zum Mord, so die Kritik, da die Hamas in Propagandavideos rote Farbflächen und Dreiecke zur Feindmarkierung verwendet. Gesprüht wurde ein solches rotes Dreieck auch auf das Büroschild eines Wissenschaftlers, der sich mit Antisemitismusforschung beschäftigt.

Bei der »Student Coalition Berlin« liefert man eine andere Interpretation des Symbols: »Das rote Dreieck ist einerseits ein historisches Zeichen des politischen Widerstandes gegen das deutsche NS-Regime und seine Konzentrationslager«, erklären die Besetzer auf nd-Anfrage. Gleichzeitig erschiene das rote Dreieck auf der Fahne Palästinas und würde deshalb von der »gesamten und politisch breitgefächerten nationalen Befreiungsbewegung verwendet«.

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