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Amnesty-Preisträgerin Velásquez: »Wir haben Frauen gestärkt«
Amnesty-Preisträgerin Yuly Velásquez über die Arbeit des kolumbianischen Fischereiverbands Fedepesan
Sie kommen aus einem der gefährlichsten Länder, was den Umweltaktivismus betrifft. Warum ist der Einsatz für die Natur in Kolumbien so gefährlich?
Ich komme aus einer Region, die sehr durch den bewaffneten internen Konflikt beeinträchtigt wurde. Heute macht die Gewalt durch bewaffnete Gruppen das Leben für Aktivisten gefährlich. Das verursacht Panik und Angst bei der Ausübung unserer Arbeit. Frauen, die sich öffentlich gegen die Umweltverschmutzung wehren, gehören zu den am meisten gefährdeten Personen.
Welche bewaffneten Gruppen sind in Ihrer Region aktiv?
Ich war jüngst Opfer einer Drohbotschaft: An meiner Hauswand stand: »Raus – Clan del Golfo« (Der Golfo-Clan ist das größte Drogensyndikat Kolumbiens, das aus paramilitärischen Strukturen hervorgegangen ist, d. Red.). Neben dem Golfo-Clan ist die Splittergruppe der ehemaligen Farc-Guerilla, Segunda Marquetalia, aktiv. Und es gibt weitere bewaffnete Akteure, die keiner organisierten Gruppe angehören.
In Ihrer Heimatstadt Barrancabermeja befindet sich die staatliche Ölraffinerie Ecopetrol. Welche Bedeutung hat Ecopetrol für Ihre Arbeit?
Yuly Velásquez ist Vorsitzende des kolumbianischen Fischereiverbands Fedepesan. Die 39-Jährige wurde Anfang Juni im Berliner Maxim-Gorki-Theater mit dem diesjährigen Amnesty International in Deutschland für ihren Einsatz für Mensch und Umwelt geehrt. Fedepesan dokumentiert die Zerstörung des größten Flusses des Landes, organisiert Protestaktionen, betreibt Lobbyarbeit und leitet rechtliche Schritte gegen den Staat und Unternehmen ein.
Die Beschwerden, die wir bei den Behörden eingereicht und in den sozialen Medien geäußert haben, waren auf die Verschmutzung zurückzuführen, für die wir Ecopetrol verantwortlich machen.
Haben Sie dadurch etwas erreicht?
Das Verfahren befindet sich noch in Bearbeitung. Wir haben zuerst eine Beschwerde bei der Staatsanwaltschaft und dann bei der Stadtverwaltung in Barrancabermeja wegen Korruption eingereicht. Hintergrund war, dass Ecopetrol staatliche Gelder, die für die Erhaltung der Umwelt und des Wassers bestimmt waren, an andere Leute weitergegeben hat.
Was sind aktuell die größten Herausforderungen von Fedepesan?
Aktuell ist unsere größte Herausforderung das Volksbegehren, das wir wegen der Wasserverschmutzung, die unsere Fischerei zerstört, bei der Stadtverwaltung eingereicht haben, um die regionale Umweltbehörde CAS in die Verantwortung zu nehmen, die untätig bleibt. Wir haben beobachtet, dass bestimmte Spezies vom Aussterben bedroht sind. Das Volksbegehren ermöglicht es uns, von den Behörden zu verlangen, gegen die Zerstörung in unseren Gewässern vorzugehen. Wir werden verdrängt und bedroht.
Können Sie einen Wandel seit dem Amtsantritt des linken Präsidenten Gustavo Petro vor knapp zwei Jahren feststellen?
Der Präsident hat den Willen, die Dinge anders zu gestalten. Aber die Rechte und der Streit zwischen verschiedenen politischen Parteien verhindern diesen gewünschten Wandel. Durch Petro wurde das Abkommen von Escazú (Regionale Vereinbarung über Zugang zu Informationen, über die Beteiligung der Öffentlichkeit und über die juristische Prüfung in Umweltangelegenheiten in Lateinamerika und der Karibik, d. Red.) vorangetrieben. Dieses garantiert den Gemeinden, besonders den Aktivisten, ihre Rechte. Es schützt uns vor Ausgrenzung, Kriminalisierung und Gewalt, besonders die Gewalt gegen uns Frauen ist jüngst stark angestiegen.
Welche Forderungen haben Sie an Petro?
Der Präsident sollte dafür sorgen, dass die Umweltbehörden in ländlichen Regionen wie meiner kontrolliert werden. Es gab viele Vorfälle von Korruption. Es werden Gelder dafür bezahlt, dass bestimmte Akteure eine Erlaubnis erhalten, um mit der Verschmutzung fortfahren zu können, und im Gegenzug werden die Gemeinden nicht mit Wasser versorgt.
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Fedepesan wurde vor über zehn Jahren gegründet und setzt sich seither für die Umwelt und nachhaltigen Tourismus ein. Was waren Ihre bisher größten Erfolge?
Wir haben Frauen gestärkt. Wir haben uns die Fischereiprodukte zunutze gemacht, um eine Alternative zu haben, unseren Lebensunterhalt zu verdienen und Arbeitsplätze zu schaffen. Jeden Tag gibt es weniger Fischbestände, deshalb haben wir neue Möglichkeiten gefunden, unser Leben zu bestreiten, etwa mit Gastronomie und dem Ökotourismus. Der Ökotourismus hat es uns ermöglicht, die Umwelt zu schützen und der Menschheit zu zeigen, dass wir alles schützen müssen, was uns umgibt. Wir haben Putzaktionen organisiert, um der Natur unseren Dank für ihre Gaben auszusprechen. All das hat gezeigt, dass wir Fischerinnen eine wichtige Rolle beim Schutz des Planeten spielen.
Kolumbien gilt als ein von Männern dominiertes Land. Wie fühlt es sich an, als Fischerin in diesem Kontext zu arbeiten?
Es ist eine starke Herausforderung, da man bei der Fischerei immer die Vorstellung hat, dass ein Mann das Netz auswirft. Wir Frauen haben uns sichtbar gemacht. Zwar sind wir Ehefrauen, Mütter, aber auch Wirtschaftsakteure. Wir Fischerinnen haben ein nationales Netzwerk aufgebaut, um unser Wissen auszutauschen.
Sie waren mehrmals Opfer von Attentaten. Wie verarbeiten Sie solche Vorfälle, um weiterzumachen?
Ich habe drei Attentate und mehrere Drohungen hinter mir. Ich werde nie allein gelassen: Mein Mann und weitere Fischer begleiten mich. Trotz der vielen Risiken und des Verzichts auf viele Dinge – ich war seit über drei Jahren nicht im Supermarkt – hat mich meine Arbeit mit meiner Familie zusammengeschweißt. Sie sind selbst Aktivisten und helfen beim Schutz des Wassers.
Stehen Sie unter staatlichem Schutz?
Ja, ich stehe unter dem Schutz der Nationalen Schutzeinheit. Es ist gewöhnungsbedürftig, zwei fremde Männer dauerhaft wie einen Schatten hinter sich zu haben. Dafür fühle ich mich etwas sicherer. Ich hatte zuvor ein schlimmes Erlebnis: Mein ehemaliger Beschützer wurde ins Gesicht geschossen. Dieses Ereigniss hat mich traumatisiert, da eine andere Person ihr Leben für mich eingesetzt hat. Ich kann es nicht aus meinem Gedächtnis löschen, wie er auf den Boden gefallen ist und mir gesagt wurde, dass ich rennen soll. Obwohl ich die Polizei und den Rettungsdienst gerufen habe, kam niemand. Am Ende haben die Personen, die vor Ort waren, geholfen. Am Ende ist man auf sich allein gestellt, weil der Staat keine Hilfe schickt.
Haben Sie aufgrund solcher Vorkommnisse nie daran gedacht aufzugeben?
Es gab so einen Moment im Jahr 2022: Ich wollte aufstehen, meine Kinder nehmen und gehen, als mir mein Ehemann ein Video geschickt hat, auf dem eine Familie mit einem Baby an einem Platz am Fluss gebadet hat, für dessen Sauberkeit wir gekämpft haben. Das war etwas ganz Besonderes, da man soetwas an dieser Stelle noch nicht gesehen hatte. Das hat mich wieder motiviert. Am Ende wurde das Video berühmt, und es kamen viele Aktivisten in das Gebiet, um uns zu unterstützen. Meine Verbindung zum Fluss und zur Natur führt dazu, dass ich weiter mache. Wenn die Natur leidet, leiden wir auch.
Was bedeutet Ihnen der Menschenrechtspreis von Amnesty International?
Ich nehme den Preis für alle toten Fischer und Fischerinnen entgegen, deren Körper in den Fluss geworfen wurden. Für die Witwen und Waisenkinder. Diese Opfer bleiben ungesühnt, während die Verantwortlichen sich in Sicherheit wiegen. Der Preis gibt allen Opfern eine Möglichkeit sichtbar zu werden und nach mehreren Jahrzehnten des Schweigens gehört zu werden. Es ist auch eine Hommage an den Fluss, der weint, weil er so viele Tote sehen musste.
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