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Mausgerutscht? Abschiebung!
Anne Roth über die geplante Beschleunigung von Abschiebungen
Für die Bundesregierung firmieren Abschiebungen neuerdings unter dem Stichwort Bürokratieabbau und Digitalisierung. Das hat eine gewisse Logik, denn wer noch schneller abschieben will, kann langwierige Verwaltungserfordernisse oder sonstige rechtsstaatliche Hindernisse nicht gebrauchen.
Vergangenen Mittwoch beschloss das Kabinett, dass in Zukunft als Grund für eine Ausweisung reichen soll, »terroristische Taten zu verherrlichen«. Damit es schnell geht, hat die Regierung den Ampel-Fraktionen eine »Formulierungshilfe« für das Gesetz geschrieben. Der lässt sich entnehmen, dass es kein eigenes Gesetz, sondern eine Ergänzung zum »Gesetz zur Stärkung der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung in Planungs- und Genehmigungsverfahren« sein soll, das wiederum Teil des »Beschleunigungspakts« ist. Mit Ausländerrecht hat das überhaupt nichts zu tun, aber beschleunigt werden sollen jedenfalls Abschiebungen und dann passt es ja wieder.
Abgeschoben werden soll, wer im Netz Zustimmung zu Terrorismus äußert. »Künftig kann damit schon ein einzelner Kommentar, der eine terroristische Straftat auf sozialen Medien verherrlicht und gutheißt, ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse begründen«, teilt das Innenministerium mit. Oder ein Klick auf »Gefällt mir« etwa bei Youtube, Instagram oder Tiktok – das steht etwas versteckter in der Begründung der Formulierungshilfe. Was dabei als Terrorismus verstanden wird, entscheidet die Ausländerbehörde allein. Was als Zustimmung zählt, auch. Nicht mal das Minimum rechtstaatlicher Verfahren, der Richtervorbehalt, soll noch nötig sein: Gerichte kommen erst ins Spiel, wenn die Betroffenen gegen die Entscheidung klagen, was voraussetzt, dass sie von dieser Möglichkeit wissen und Zugang zu und Geld für Anwält*innen haben, die sie dabei unterstützen.
Anne Roth gehört zu den Pionierinnen linker Netzpolitik. Für »nd« schreibt sie jeden ersten Montag im Monat über digitale Grundrechte und feministische Perspektiven auf Technik.
So weit, so bekannt. Im Ausländerrecht werden neue Sicherheitsgesetze eingeführt und wenn die Gewöhnung eingesetzt hat, gibt’s dasselbe für alle.
Hier wird aber noch ein weiteres Muster sichtbar: Wenn Politik Technik reguliert, dann häufig mit der Vorstellung, dass ein politisches Ziel vorgegeben wird und die digitale Lösung eben irgendwie gefunden werden muss. Das geht gern schief. Aktuelles Beispiel ist die Auseinandersetzung um die Chatkontrolle: Da wünscht sich die Politik, dass Chats von Sicherheitsbehörden mitgelesen werden können, während die Verschlüsselung intakt bleibt. Das geht aber einfach nicht, da hilft auch kein Gesetz.
Beim aktuellen Vorhaben gibt es gleich mehrere vorhersehbare Probleme: Den Ausländerbehörden wird überlassen, Entscheidungen zu treffen, mit denen die Plattformen selbst erhebliche Schwierigkeiten haben. Wo fängt Terrorismus an, wo hört er auf? Welche Gruppierung ist aktuell deswegen in welchem Land verboten? Es ist bekannt, dass es besonders schwierig ist, Ironie und Sprachwitz im Netz zu erkennen. Insbesondere, wenn es um Sprachen geht, in denen diejenigen nicht zuhause sind, die die Inhalte kontrollieren, denn sie kennen die aktuellen politischen Diskurse und Feinheiten nicht unbedingt. Auch wenn sich viele wünschen, dass das irgendwann eine Künstliche Intelligenz übernehmen könnte: Bislang ist keine in Sicht.
Offen ist, wie diese »Likes« und zustimmenden Kommentare gefunden werden sollen. Vermutlich ja nicht von den Ausländerbehörden selbst. Denkbar wäre, dass das von Polizei oder Verfassungsschutz übernommen werden soll, die dann entweder das Netz nach Terrorismus unterstützenden Inhalten (noch mehr als bisher schon) durchsuchen oder aber die Geräte von Geflüchteten und allen anderen ohne deutschen Pass, wenn sie sie in die Finger bekommen.
Genauso wie es vorkommt, dass Beschuldigten gefälschte Beweise untergeschoben werden, könnten mit beschlagnahmten Geräten nachträglich »Likes« gesetzt werden, bei denen nicht mal erkennbar wäre, wann das geschehen ist.
Nicht alle Menschen benutzen im Netz ihren tatsächlichen Vor- und Nachnamen und selbst wenn, gibt es die manchmal mehrfach. Es kommt vor, dass mehrere Menschen dasselbe Gerät benutzen oder zumindest ab und zu Zugriff darauf haben – in Familien etwa. Das ist ein altbekanntes und schwieriges Problem, wenn es darum geht, illegale Aktivitäten im Netz bestimmten Personen zuzuordnen. All diese Dinge beschäftigen viele Gerichte und Anwält*innen.
Auf Nachfrage erklärte das Innenministerium, dass doch offensichtlich sei, worum es hier ginge: Zustimmung zum Terror der Hamas am 7. Oktober, zu islamistischen Angriffen auf Polizeibeamte, Hasskriminalität. In der Realität wird Terrorismus juristisch allerdings deutlich weiter gefasst. Es ist noch nicht lange her, seit selbst das Festkleben von Klima-Aktivist*innen von rechts zu Terrorismus erklärt wurde. Letztlich ist es ein Gummi-Begriff, bei dem scheinbar allen klar ist, was damit gemeint ist, und der von Sicherheitsbehörden aber oft sehr weit gedehnt wird.
Falls jetzt jemand auf Koalitionspartner hofft, denen die Grundrechte mehr wert sind: Wirtschaftsminister Habeck hat bereits deutlich gemacht, dass von ihm nichts zu erwarten ist: »Wer terroristische Taten billigt und für sie wirbt, muss gehen. Dann hat der Staat ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse.«
Die meisten Menschen haben schon mal bei Beiträgen im Netz auf »Like« geklickt, ohne lange nachzudenken oder ohne genau hinzusehen, und später bemerkt, dass das nicht klug war. Keine gute Idee, keine Frage. Das kann Konsequenzen haben. Am besten weiß das die Präsidentin der TU Berlin, die wegen zwei »Likes« kürzlich fast ihren Job verloren hätte. Wäre sie keine Deutsche und gäbe es das Gesetz schon, müsste sie jetzt vielleicht das Land verlassen. Diejenigen, die dies in Zukunft betreffen könnte, werden vermutlich weniger Aufmerksamkeit bekommen.
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