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Belgien: Audi-Arbeiter vor heißem Herbst?
Im Brüsseler Werk sorgen Umstrukturierungspläne und drohende Entlassungen für Unmut
Lahouari Najars Ärger ist deutlich zu spüren, wenn es um die drohende Werksschließung der Audi-Fabrik in Brüssel mit ihren etwa 3000 Beschäftigten geht. »Die Entscheidung der Konzernleitung ist purer Kapitalismus, bei dem die Beschäftigten unter die Räder kommen. Das können wir nicht akzeptieren«, erklärt er im Gespräch mit »nd«. »Es wird ein heißer Herbst«, sagt der Brüsseler Regionalvorsitzende der sozialistischen Gewerkschaft ABVV und kündigt entschlossenen Protest an.
Grund für Najars Unmut sind Pläne des Automobilherstellers, das Werk im Brüsseler Stadtteil Vorst umzustrukturieren. Die Produktion des Modells Q8 eTron soll nicht fortgesetzt werden, heißt es aus dem Unternehmen. Seit Juli stehen die Bänder still, und wie es weitergeht, ist unklar. Ein belgisches Gesetz von 1998, die Lex Renault, verpflichtet Unternehmen, solche Vorhaben anzukündigen und das Gespräch mit den Sozialpartnern zu suchen. Die Verhandlungen beginnen Ende August.
Die Pläne stehen im Kontext eines Umbruchs im Automobilmarkt: Teile der Produktion – wie das gesamte Brüsseler Werk – wurden auf Elektromobilität umgestellt. Doch Druck aus China und sinkende Nachfrage sorgten für einen Umsatzrückgang. Nicht nur in Brüssel wird die Produktion aufgrund von Überkapazitäten gedrosselt: In Ingolstadt und Neckarsulm strich Audi die Nachtschichten; ebenso wie der Mutterkonzern Volkswagen in Wolfsburg, Emden und Zwickau. »Die Autoindustrie schlittert weiter in die Krise«, sagte Anita Wölfl vom Wirtschaftsforschungsinstitut Ifo zu den Aussichten.
Überproduktion ist aber nur die eine Seite der Medaille. Aus den Gewerkschaften gibt es schon länger Kritik am Kurs, E-Autos vor allem im höheren Preissegment anzubieten: Zu teuer, zu groß und kaum massentauglich, lautet der Vorwurf. »Das Problem ist nicht der Standort, sondern das Modell«, betont auch Najar und fordert die Produktion von anderen Fahrzeugtypen. Die Beschäftigten seien dafür bestens qualifiziert. »Und die Fabrik ist modern – Audi hat Millionen investiert, um sie klimaneutral zu gestalten.«
Auch dank staatlicher Subventionen: Laut ABVV hat die öffentliche Hand den Standort in den vergangenen sechs Jahren mit rund 160 Millionen Euro bezuschusst. Allein im Jahr 2023 seien 23 Millionen Euro an Steuergeldern geflossen. Und trotzdem plane das Unternehmen, die Produktion nach Mexiko zu verlagern. Das stößt auf Unverständnis. »Das sind Gelder, die der Öffentlichkeit gehören«, kritisiert Najar.
Ein Konzernsprecher teilte auf nd-Anfrage mit, dass die Regionalregierung zwar einzelne Qualifizierungsmaßnahmen und Innovationsprojekte unterstützt habe. Darin unterscheide sich das Unternehmen aber nicht von anderen. »Und in Summe entspricht dies nicht dem in einzelnen Medien genannten, in der Höhe deutlich überzogenen Betrag.« Ob die Regierung weitere Finanzspritzen in Erwägung zieht, um die Fabrik zu erhalten, ist bisher nicht klar.
Unwahrscheinlich ist aber, dass die Arbeitsplätze ohne größeren Druck seitens der Belegschaft gesichert werden. Das Werk in Brüssel gilt als eines der kleinsten im Volkswagen-Konzern und kann laut Experten höchstens 100 000 Fahrzeuge pro Jahr produzieren; zuletzt waren es nur knapp die Hälfte. Andere Werke stellen bis zu 230 000 Stück her, US-Autobauer Tesla sogar bis zu eine Million. Für eine Weiterentwicklung der Fabrik sei die Lage im dicht bebauten Stadtgebiet ungünstig, heißt es aus dem Unternehmen.
Von Konzernseite wird die Umwandlung des historischen Automobil-Standortes für die Produktion von Akkus für den Elektroantrieb erwogen. Dabei ginge es laut ABVV aber nur um 300 bis 500 Jobs, den Rest sollen Roboter übernehmen. »Für uns wäre das ein großer Verlust an guten Arbeitsplätzen«, kritisiert Najar.
Was die Pläne konkret für die Beschäftigten bedeuten, ist ungewiss. Die Verträge von rund 800 Leiharbeiter*innen wurden laut Unternehmensangaben bereits Anfang April aufgelöst. Zudem sollen schon im Oktober 1500 Stellen gestrichen werden, befürchtet Najar. Im März droht ein Abbau von weiteren 1100 Jobs. Bis Ende 2025 plant das Unternehmen die Umstrukturierung abzuwickeln.
Die Gewerkschaft ABVV will alles daransetzen, den Standort in seiner jetzigen Form zu erhalten. »Wir werden Druck aufbauen«, betont Najar. Auch international habe man schon Unterstützung erfahren. »Wir stehen in Kontakt mit den Kolleginnen und Kollegen der IG Metall, die uns ihre Solidarität zugesichert haben«, bekräftigt er. Um die Forderungen zu konkretisieren, findet am 20. August eine Versammlung der Belegschaft statt. Schon zwei Tage später beginnen die Verhandlungen mit dem Konzern.
In einer vorherigen Version hieß es, dass es dem Unternehmen nicht schwerfallen dürfte, die rund 800 Leiharbeiter*innen loszuwerden. Das Unternehmen teilte mit, dass die Leiharbeitsverträge bereits aufgelöst seien.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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