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Kartoffelscheune mit Atommüll

In Deutschland werden Zwischenlager zum Dauerzustand – trotz begrenzter Betriebsgenehmigung

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 4 Min.
Castor-Behälter verschiedener Typen im 1992 eröffneten Zwischenlager Ahaus
Castor-Behälter verschiedener Typen im 1992 eröffneten Zwischenlager Ahaus

Im Wendland sprechen sie abfällig von der »Kartoffelscheune«, wenn sie sich mal wieder über die wuchtige Halle im Gorlebener Wald aufregen. Dabei lagert in dem 190 Meter langen, 38 Meter breiten und 22 Meter hohen Bauwerk aus Beton gar kein Gemüse. In dem Zwischenlager wurden 113 Castorbehälter mit hoch radioaktivem Atommüll abgestellt. Sie warten auf ihren Weitertransport in ein Endlager, das noch nicht gefunden ist.

Der Bau des Zwischenlagers begann 1982. »Die Atomwirtschaft stand damals mächtig unter Druck, der Betrieb der Atomkraftwerke wurde an einen Entsorgungsnachweis gekoppelt«, erinnert sich Wolfgang Ehmke von der Bürgerinitiative (BI) Lüchow-Dannenberg. Mit dem Baubeginn war dieser Nachweis zumindest auf dem Papier erfüllt. Der Lüchow-Dannenberger Kreistag, die Samtgemeinde Gartow und die Gemeinde Gorleben hatten die Errichtung zuvor genehmigt. Die Zustimmung brachte den Kommunen eine »Infrastrukturhilfe« in Millionenhöhe ein.

»Es war nie die Rede davon, dass der Atommüll hier so lange gelagert werden soll.«

Martin SchmedtjeBürgermeister von Brunsbüttel

Ende 1983 war das Zwischenlager fertig. 1995 folgte die Einlagerungsgenehmigung. Im April desselben Jahres rollte der erste Castor-Transport nach Gorleben und traf auf heftigen Widerstand. Rund 15 000 Einsatzkräfte von Polizei und Bundesgrenzschutz sicherten die Fuhre, Schlagstöcke und Wasserwerfer kamen zum Einsatz – Szenen, die sich so oder ähnlich bei allen späteren Transporten bis 2011 wiederholten.

»Der Name Kartoffelscheune ist damals schnell entstanden«, erzählt Ehmke. »Sie heißt so, weil die Halle lediglich Schutz vor schlechtem Wetter bietet.« Nur die Castor-Behälter selbst sollten den Schutz vor der Strahlung oder vor Flugzeugabstürzen und Terroranschlägen garantieren. Die Wände seien zum Teil dünner als 50 Zentimeter. Immerhin soll jetzt, nach Jahrzehnten, eine neue, zehn Meter hohe Mauer um das Zwischenlager gebaut werden.

Das Hauptproblem aber ist: Die Betriebsgenehmigung für das Zwischenlager gilt nur für 40 Jahre, sie läuft also 2034 aus. Ein Endlager wird bis dahin aber nicht gefunden, geschweige denn betriebsbereit sein. Die Bundesgesellschaft für Endlagerung geht aktuell davon aus, dass ein Standort womöglich erst bis 2068 feststeht.

Bis das Endlager gebaut und befüllt ist, werden weitere Jahrzehnte vergehen. Die 113 Castoren mit heißem Atomschrott – einige verlieren in den kommenden Jahren ebenfalls ihre Zulassung – werden also bis auf Weiteres in Gorleben bleiben.

Dasselbe gilt für die anderen 16 Zwischenlager für hoch radioaktiven Atommüll in Deutschland. Außer den zentralen Lagerstätten in Gorleben und im westfälischen Ahaus wurden auch an den AKW-Standorten solche Anlagen hochgezogen. Im Norden also in Brokdorf, Brunsbüttel und Krümmel in Schleswig-Holstein sowie in Esenshamm, Grohnde und Lingen in Niedersachsen. In den 2000er Jahren errichtet und für 40 Jahre genehmigt, laufen die Genehmigungen an diesen Standorten 2046 oder 2047 aus.

Die zuständige bundeseigene Gesellschaft für Zwischenlagerung hat bislang keine neuen Genehmigungen beantragt. Sie beteuert aber, dass man sich auf eine Zwischenlagerung deutlich über den bisher genehmigten Zeitraum von 40 Jahren vorbereite.

»Nirgendwo in der Welt gibt es bisher Erfahrungen mit einer Zwischenlagerzeit von mehr als 50 Jahren«, warnt die Physikerin Oda Becker. Sie hat im Auftrag für den BUND ein Gutachten zu den Problemen der verlängerten Atommüll-Zwischenlagerung vorgelegt. Ihr Fazit: Der Terrorschutz an den Anlagen ist unzureichend, Reparatur- und Inspektionsmöglichkeiten fehlen. Das Sicherheitskonzept müsse an die verlängerte Lagerdauer angepasst werden.

Derweil fordern betroffene Kommunen auch Ausgleichszahlungen für die deutlich verlängerten Lagerzeiten der Castoren. »Es war nie die Rede davon, dass der Atommüll hier so lange gelagert werden soll«, sagt etwa Brunsbüttels parteiloser Bürgermeister Martin Schmedtje. Er stört sich daran, wertvolle Industrieflächen sehr viel länger als geplant nicht oder nur eingeschränkt nutzen zu können.

Schmedtje verweist verweist auf Zuwendungen, die nach Ahaus und Gorleben geflossen sind. An diesen beiden Zwischenlagerstandorten stehen oder standen keine Atomkraftwerke, die Gewerbesteuer in die Gemeindekassen spülten. Von rund einer Million Euro pro Jahr ist die Rede. »Mindestens eine Million Euro jährlich!«, verlangt deshalb Schmedtje auch für Brunsbüttel.

Ihm geht es aber nicht allein um Geld, wie er betont. Es geht ihm um Verlässlichkeit der Politik und um Fairness: »Hier zeigt sich sehr deutlich«, sagt der Bürgermeister mit Blick auf die Atommüll-Container am AKW, »dass die gesellschaftliche Verantwortung dafür, was wir mit den Überresten der atomaren Stromgewinnung machen, allein bei den Betreiberkommunen liegt – und das kann nicht sein.«

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