»Spaniens Ultrarechte wollen Aufstand entfachen«

Spaniens Verbraucherschützer Rubén Sánchez über die fremdenfeindlichen Hasskampagnen

  • Interview: Ralf Streck
  • Lesedauer: 4 Min.
Gedenkminute in Mocejón nach dem Mord an einem Elfjährigen. Die Tat wurde gegen die Fakten für fremdenfeindliche Hetze missbraucht.
Gedenkminute in Mocejón nach dem Mord an einem Elfjährigen. Die Tat wurde gegen die Fakten für fremdenfeindliche Hetze missbraucht.

Wir sehen derzeit massive fremdenfeindliche Kampagnen in Spanien. Können Sie erklären, was passiert?

Faschisten nehmen Vorkommnisse auf, schreiben sie Einwanderern zu, wie im Fall des Messerangriffs auf den Vater des Fußballspielers Lamine Yamal oder eines ermordeten elfjährigen Jungen. Dem Journalisten Raúl Solís wurde Pädophilie vorgeworfen, und das alle wurde in sozialen Medien breit gestreut.

Wer steckt dahinter?

Es geht jeweils von irgendeinem anonymen Account aus, der kaum Follower hat. Zum Problem wird es, wenn ein bekanntes Sprachrohr wie der 34-jährige Europaparlamentarier Alvise Pérez oder Vito Quiles das teilen und Hunderttausende das lesen. Beide sind wichtige ultrarechte Akteure. Quiles arbeitet für Pérez. Sie machen Lügen viral. Solís bekam daraufhin Morddrohungen. Wir griffen schnell ein und entlarvten die Fälschung. Wir haben es geschafft, dass die Aufklärung stärker geteilt wurde als die Fake News.

Gelingt das oft?

In einigen Fällen gelingt das, wie auch im Fall Yamal. Dabei wurde behauptet, sein Vater sei von Marokkanern niedergestochen worden. Dabei hatte die Polizei schnell bestätigt, dass es Spanier waren. Es gelang uns auch, den schlimmsten Fall zu entlarven, die Ermordung eines Elfjährigen bei Toledo. Das wurde auch Marokkanern zugeschrieben – und dazu aufgerufen, marokkanische Kinder zu ermorden, Unterkünfte abzubrennen, in denen unbegleitete Minderjährige leben. Der Täter war aber ein Spanier, ein 20-Jähriger mit psychischer Störung.

Interview

Rubén Sánchez, 50, ist Journalist und Vor­sitzen­der der spanischen Verbraucher­schutzorganisation (Facua). Der Anda­lu­sier stand 2014 auch hinter der Bürger­kandidatur für »Ganemos« (Wir gewinnen) in Sevilla, die der Linkspartei Podemos nahestand. Er ist ständig Fake-News-Kampagnen von rechts ausgesetzt, die er erfolgreich bekämpft.

Was war das Ziel der Kampagnen?

Es sollte ein rassistischer Aufstand entfacht werden, wie wir ihn kürzlich in Großbritannien gesehen haben, und zur Jagd auf Einwanderer und Flüchtlinge geblasen werden.

Was halten sie von Ideen des Generalstaatsanwalts, die »Anonymität in Netzen« abzuschaffen und »Internetsperren« einzuführen?

Die sind gefährlich, die Akteure ohnehin bekannt. Gegen Leute wie Pérez, die Fake breit verteilen, muss vorgegangen werden. Anonyme Hetzer-Accounts könnten auch längst verfolgt werden. Schlimm ist aber, dass Linke solche Angriffe auf die Meinungsfreiheit aufnehmen. Der Generalsekretär der Kommunistischen Partei (PCE) Enrique Santiago unterstützt Internetsperren bei Hassverbrechen.

In Spanien können selbst Nazis Opfer von Hassverbrechen werden, nicht nur vulnerable Gruppen ...

Genau. Deshalb habe ich den PCE-Chef und Staatssekretär Enrique Santiago gefragt, ob das ob das Vorgehen gegen das Delikt Hassverbrechen auch dem Schutz von Nazis dienen soll. Wie die Staatsanwaltschaft dieses Delikt definiert, ist sehr gefährlich. Nazismus ist eine kriminelle und mörderische Ideologie. Hassverbrecher sollen die sein, die gegen sie vorgehen? Auch Anonymität im Internet ist wichtig. Wir kommen aus einer Diktatur, in der Zeitungskolumnisten anonym blieben, um sie vor Verfolgung zu schützen. Es gibt viele im Netz, die richtige Sachen anonym publizieren, aus Angst, ihren Job zu verlieren oder bedroht zu werden. Anonymität darf aber nicht genutzt werden, um zu drohen, zu beleidigen und zu lügen. Alles zu kontrollieren ist Faschismus. Man muss bei allen Maßnahmen immer die Sicherung der Grundrechte beachten.

Was halten sie von der Initiative der Regierung, die Fake News stoppen will?

Genaues weiß bisher nur Ministerpräsident Pedro Sánchez. Wir kennen nur allgemeine Ankündigungen. Wir warten seit Mai darauf, dass er die Pläne auf den Tisch legt.

Können Fake News und Hass nicht längst verfolgt werden?

Drohungen, Verleumdungen und Hass im Netz können ermittelt und bestraft werden, das muss man nicht extra verbieten. Die Justiz muss aber tätig werden. Eine andere Sache wäre zum Beispiel, mehrfach rechtskräftig verurteilten Medien Subventionen zu entziehen.

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Wie viele Verfahren haben sie schon gegen die Verbreitung von Fake News gewonnen?

Bisher in 23 Fällen, fast immer gegen Rechtsextreme, darunter Politiker, Unternehmer und Pseudojournalisten.

Wie ist es möglich, dass er noch eine Akkreditierung für das Parlament hat?

Die Parlamentspräsidentschaft sollte da einschreiten. Niemand darf einen Presseausweis haben, der sich Beleidigungen von Politikern verschrieben hat, die nicht rechtsextrem sind.

Warum werden Sie ständig mit Falschmeldungen und Verleumdungen angegriffen – und wie wehren Sie sich?

Ich habe eine gewisse Bedeutung, da die Verbraucherschutzorganisation Facua allgemein gegen Missbrauch vorgeht, gegen irreführende Werbung und Preisabsprachen. Dazu kommt, dass ich persönlich links stehe und mich dem Feminismus und dem Kampf gegen Fremdenfeindlichkeit verschrieben habe. Ich bin politisch-medial bekannt und störe Fake-News-Verbreiter. Gerichtsverfahren kosten viel Geld. Damit wollte man mich in den Ruin treiben. Über Crowdfunding haben wir eine Widerstandskasse geschaffen. Geplant war, 25 000 Euro in 80 Tagen zu bekommen. Die Reaktion war umwerfend: In nur sechs Tagen kamen 51 000 Euro zusammen.

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