Werbung

Ein Schiffchen tutet auf der See

Das Deutsche Theater Berlin eröffnet die neue Spielzeit mit einer Fellini-Adaption

Keine Menschen, sondern Karikaturen: »Das Schiff der Träume [fährt einfach weiter]« am Deutschen Theater Berlin
Keine Menschen, sondern Karikaturen: »Das Schiff der Träume [fährt einfach weiter]« am Deutschen Theater Berlin

Was für ein Stoff! Wir sind im geschichtsschweren Jahr 1914. Ein Schiff fährt aus, die Asche der Edmea Tetua, der großen – vielleicht der größten – Operndiva der Welt, ins Meer zu streuen. An Bord sind die Vertreter der alten Ordnung: ein Großherzog aus Österreich-Ungarn mitsamt Generalfeldmarschall und Poliziechef. Und – auf ihre Art nicht minder Vertreter einer alten Ordnung: Künstler und Opernliebhaber mit ihren Schrullen. Da bricht plötzlich die Realität ein inmitten des Schiffsausflugs, die Schüsse von Sarajevo sind bereits gefallen, serbische Flüchtlinge wollen an Bord, werden aber alsbald von einem Kriegsschiff verfolgt. Die Katastrophe kommt, ob man sie sehen kann oder nicht. Und was bald dem Meeresgrund entgegentreibt, wird kaum je wieder nach oben geschwemmt.

1983 hat Federico Fellini sein »Schiff der Träume« auf die Leinwand gebracht. Was der Neorealist uns im Kino zu erzählen hatte, spricht uns auch heute noch an. Es geht um die Blindheit der alten Welt für das, was vor ihr liegt. Um die Verklärung unserer Helden und um die Ignoranz gegenüber dem Sterben der vielen. Das alles findet vor dem Hintergrund eines heraufziehenden Krieges statt, der aus der Ferne noch nicht zu fassen ist.

nd.DieWoche – unser wöchentlicher Newsletter

Mit unserem wöchentlichen Newsletter nd.DieWoche schauen Sie auf die wichtigsten Themen der Woche und lesen die Highlights unserer Samstagsausgabe bereits am Freitag. Hier das kostenlose Abo holen.

Das Deutsche Theater Berlin hat sich für diesen hochpolitischen Stoff entschieden, mit dem es unter dem Titel »Das Schiff der Träume [fährt einfach weiter]« die neue Spielzeit in der Schumannstraße, der zweiten unter der Intendantin Iris Laufenberg, eröffnen wollte. Aber hier war schon im vergangenen Jahr wenig Bühnenglück zu erfahren und so setzt sich in dem altehrwürdigen Haus eine Reihe unausgegorener Arbeiten fort.

Claudia Bauer, eine der interessantesten Regisseurinnen ihrer Generation, war für »Schiff der Träume« verpflichtet worden, hatte bereits einige Wochen geprobt und ist dann krankheitsbedingt ausgefallen (gute Besserung!). Nun musste ihre Regiekollegin Anna Bergmann einspringen. Wie soll man also bewerten, was nur auf einem Umweg zur Bühne gelangt ist und seine Mängel kaum zu kaschieren weiß?

Das grell gezeichnete Personal aus Fellinis Film begegnet uns als eine Handvoll Karikaturen auf der Bühne. Mit echten Menschen haben wir es hier nicht zu tun. Wo es aber keine Menschen gibt, gibt es auch keinen jähen Schmerz, kein plötzliches Erwachen und keine echte Sehnsucht. Der Theaterabend schleppt sich über 90 Minuten hin, gelegentlich scheinen einige Bilder auf, die uns etwas erzählen wollen, aber sie dringen nicht durch, weil es der Inszenierung an einer überzeugenden Idee, mehr noch an einer überzeugenden Umsetzung einer Idee mangelt.

Die Übergabe der Regie von einer Hand in die andere ist kein Normalfall. Hier wäre es vielleicht besser gewesen, man hätte das Publikum noch um zwei, drei Wochen vertröstet, ehe man in den Zuschauersaal geladen hätte. So bleibt nach einem verqueren Theaterabend nur die Erkenntnis, dass zur DVD greifen muss, wer sich an Fellini noch nicht sattgesehen hat.

Nächste Vorstellungen: 2., 19. und 23. Oktober
www.deutschestheater.de

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das beste Mittel gegen Fake-News und rechte Propaganda: Journalismus von links!

In einer Zeit, in der soziale Medien und Konzernmedien die Informationslandschaft dominieren, rechte Hassprediger und Fake-News versuchen Parallelrealitäten zu etablieren, wird unabhängiger und kritischer Journalismus immer wichtiger.

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!

Unterstützen über:
  • PayPal