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- 7. Oktober
Das Gedenk-Theater der Bundesregierung
Man stellt Schildchen auf, rattert Staatsräson-Sprüchlein herunter und lässt alles so weitergehen, wie es ist, kritisiert Pauline Jäckels
Bis vor kurzem stand in der gläsernen Eingangshalle des Auswärtigen Amts noch eine Prideflagge. Am ersten Jahrestag der Terrorattacke der Hamas musste sie einem großen Aufsteller mit der gelben Schleife weichen, die signalisieren soll: Wir setzen uns für die israelischen Geiseln ein. Und natürlich betont auch Olaf Scholz noch einmal: »Die israelischen Geiseln müssen endlich freikommen«, darunter ein Foto der gelben Schleife vor dem Kanzleramt mit einem hebräischen Spruch: »Wir teilen euren Schmerz«. Deutsche Nahost-Politik in a Nutshell: Man stellt Schildchen auf, rattert Staatsräson-Sprüchlein herunter und lässt alles so weitergehen, wie es ist.
Es ist keine Frage: Zum ersten Jahrestag des Terroranschlags der Hamas braucht es Raum, der Opfer des 7. Oktobers, der Geiseln und des Leids der Angehörigen zu gedenken. Das Erinnerungstheater der Bundesregierung hat mit aufrichtigem Gedenken aber rein gar nichts zu tun. Es dient einem Zweck: Die eigene Israel-Politik zu legitimieren und ihre Versäumnisse zu verschleiern.
Denn mal ganz abgesehen davon, dass die Bundesregierung das Töten von über 40 000 Palästinensern in Gaza und 2000 Menschen im Libanon mitgetragen hat: Die »Wir bitten sie darum, wir sagen ihnen das und wir sprechen mit ihnen«-Politik, die Scholz und Annalena Baerbock seit einem Jahr verfolgen, hat auch kein Deut dazu beitragen können, dass die 60 israelischen Geiseln, die sich noch in der Gefangenschaft der Hamas befinden, freikommen. Im Gegenteil: Mit ständigen Bekundungen à la »wir weichen nicht von der Seite Israels« hat man Benjamin Netanjahu walten lassen. Den Netanjahu, der mehrfach klar machte, dass weder die Befreiung der Geiseln noch ein Waffenstillstand, der dazu nötig wäre, in seinem Interesse sind.
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