- Wirtschaft und Umwelt
- Güterverkehr
Monopoly in der Logistik
Der dänische Konzern DSV will mit dem Schenker-Zukauf ganz groß rauskommen
»Wir kaufen Schenker nicht, um Schenker zu zerstören.« Dies versicherte Jens Lund, Chef des dänischen Konzerns DSV, angesichts von Befürchtungen kürzlich in einem Interview. Mit einer milliardenschweren Übernahme des Speditionsunternehmens der Deutschen Bahn mit ihren 73 000 Beschäftigten steigt der Logistikriese DSV global zur Nummer eins in der Branche auf. Lund verspricht sich von der Übernahme industrielle »Skaleneffekte«: Durch das Zusammenlegen von Investitionen und der vorhandenen Infrastruktur sollen die Kosten pro Tonnenkilometer sinken und Größenvorteile gegenüber der Konkurrenz ausgespielt werden.
Gemeinsam stehen DSV und Schenker laut Firmenangaben für einen Umsatz von insgesamt etwa 39 Milliarden Euro und beschäftigen aktuell rund 147 000 Angestellte in mehr als 90 Ländern. Innerhalb der nächsten drei bis fünf Jahre will das Unternehmen rund eine Milliarde Euro allein in Deutschland investieren, vor allem in die Zusammenführung der bisherigen doppelten Strukturen bei Lagerhallen und Verwaltungen. Aufsichts- und Kartellbehörden könnten den Plänen zwar noch einen Strich durch die Rechnung machen, womit Branchenbeobachter aber nicht rechnen. Dann könnte die Fusion Anfang 2025 vollzogen werden.
Mit der Übernahme will der Konzern zugleich sein Europageschäft stärken. Schenker sei insbesondere in Deutschland, Frankreich und Spanien stärker aufgestellt als DSV, betont Lund. »Die Kombination wird sicherstellen, dass wir in allen Märkten eine starke Präsenz haben.« Für DSV bildet der Kauf einen wichtigen Schritt zu mehr Marktanteilen.
Unser täglicher Newsletter nd.Kompakt bringt Ordnung in den Nachrichtenwahnsinn. Sie erhalten jeden Tag einen Überblick zu den spannendsten Geschichten aus der Redaktion. Hier das kostenlose Abo holen.
Um den 15-Milliarden-Euro-Deal zu finanzieren, organisiert der Käufer eine Art Monopoly. Das Unternehmen hat zunächst für die Übernahme umgerechnet fünf Milliarden Euro frisches Kapital eingesammelt und neue Investoren an Bord geholt. Dazu wurden neue Aktien bei Großanlegern platziert, heißt es in einer Mitteilung vom vergangenen Freitag. Zuvor hatte sich DSV bereits feste Zusagen von alten und neuen Aktionären gesichert, weitere Milliarden für die Finanzierung der Übernahme zur Verfügung zu stellen, darunter von US-Vermögensverwalter Blackrock und weiteren Investmentbanken aus Kanada, Norwegen und Dänemark.
Der bundeseigenen Deutschen Bahn werden nach eigenen Angaben insgesamt 14,8 Milliarden Euro (einschließlich Zinsen) zufließen. Das Geld verbleibt im Staatskonzern – wird also nicht den Bundeshaushalt stärken – und soll in den Abbau des Schuldenberges des Unternehmens fließen. Dieser belief sich zum ersten Halbjahr auf rund 33 Milliarden Euro. Bahnchef Richard Lutz kündigte an, im Fokus der nächsten drei Jahre stehe weiterhin die Sanierung des Eisenbahnbetriebs.
Die Aktiengesellschaft De Sammensluttede Vognmænd (etwa: Vereinigte Spediteure) entstand Mitte der 1970er Jahre durch den Zusammenschluss eines Dutzends dänischer Spediteure. Später wuchs DSV vom kleinen Unternehmen in einem Vorort von Kopenhagen durch Zukäufe zu einem internationalen Logistikkonzern. Dabei half der weltweite Boom des Güterverkehrs und der wachsende Internethandel.
Heute gilt die Branche trotzdem als »wenig konsolidiert«. Selbst die künftige Nummer eins DSV/Schenker kommt auf einen globalen Marktanteil von wenig mehr als sechs Prozent. Lund schließt daher weitere Zukäufe nicht aus, will sich aber zunächst auf die Übernahme von Schenker konzentrieren. Schließlich scheitert die Mehrzahl der Fusionen: Drei Viertel aller Übernahmen seien »nicht erfolgreich«, so Lund.
»Die Kolleginnen und Kollegen brauchen endlich Klarheit und Sicherheit, dass ihre Arbeitsplätze erhalten bleiben.«
Stefan Thyroke Verdi-Bundesfachgruppenleiter Logistik.
Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft treiben noch weitere Sorgen um. Arbeitsplätze, Mitbestimmung und Tarifbindung in dem traditionsreichen Logistikunternehmen Schenker sollten dauerhaft erhalten bleiben, fordert Verdi. »Nach den monatelangen Diskussionen im Verkaufsprozess sind die Kolleginnen und Kollegen nachvollziehbar verunsichert«, sagt Stefan Thyroke, Bundesfachgruppenleiter Logistik. »Sie brauchen endlich Klarheit und Sicherheit, dass ihre Arbeitsplätze erhalten bleiben.« DSV habe zwar vor wenigen Tagen von Bahn und Bund den Zuschlag bekommen, sei jetzt aber in der Pflicht, die Arbeitsplätze bei Schenker langfristig zu sichern. Für unabdingbar hält Thyroke zudem, dass die unternehmerische Mitbestimmung in den neuen DSV-Firmen in Deutschland gesichert bleibe. Und DSV müsse dauerhaft tarifgebunden bleiben.
Lunds Pläne könnten andere sein. »Hand in Hand und unter einem Dach werden die Mitarbeiter von DSV und Schenker unsere Stärken bündeln, um einen echten Weltmarktführer in der Branche zu schaffen«, lautet das Credo von DSV-Chef Lund. Der Manager gilt als »Stratege mit Weitblick«, schreibt das Verkehrsfachblatt DVZ in einer aktuellen Analyse. In Deutschland sollen bei DSV/Schenker bis zu 1900 der 15 000 Arbeitsplätze wegfallen. Allerdings hatte auch schon Schenker angekündigt, Hunderte Vollzeitstellen zu streichen. Durch den Einstieg von DSV sollen »lediglich« 700 bis 1100 dazukommen. Auch wenn die meisten Jobs durch Fluktuation und Verrentung verschwinden, sind auch Entlassungen wohl fest eingeplant. Lund verspricht allerdings, in fünf Jahren werde DSV »mehr Mitarbeiter haben, als derzeit DSV und Schenker kombiniert«.
Helfen soll dabei ein weiteres Wachstum des Güterverkehrs. Bis 2051 werde der Verkehr überall in Deutschland zunehmen, besonders stark im Güterbereich. So lautet die »Gleitende Langfrist-Verkehrsprognose« aus dem Hause von Minister Volker Wissing (FDP). Im Vergleich zu 2019, dem letzten Jahr vor der Corona-Pandemie, werde die Verkehrsleistung um die Hälfte steigen – von 679 auf 990 Milliarden Tonnenkilometer.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!