Wieder und immer noch

Philipp Peyman Engels Buch über den ewigen Antisemitismus

  • Harald Loch
  • Lesedauer: 2 Min.
Philipp Peyman Engel, Chefredakteur der »Jüdischen Allgemeinen«
Philipp Peyman Engel, Chefredakteur der »Jüdischen Allgemeinen«

Lieber Herr Peyman Engel, bitte verlassen Sie unser Land nicht! Sie haben recht, wenn Sie die täglichen und oft tätlichen Angriffe auf Juden und jüdische Einrichtungen in Deutschland anprangern. Ihre Angst um Ihre Familie, um die Gemeinden und ihre Mitglieder, um die liberale Demokratie in Deutschland ist nur allzu verständlich.

Sie sehen deutlicher als vielleicht mancher von Ihren Leserinnen und Lesern, wo hierzulande Antisemitismus wabert und seinen Ungeist versprüht, woher er herkommt und wohin er zu führen droht. Den von rechts, innerhalb und im Umfeld der AfD, den von einigen Kräften aus arabisch-muslimischen Migrantenkreisen, die das Auslöschen des Staates Israel auf ihre Fahne geschrieben haben, und den teils auch im vermeintlich linken Spektrum.

Natürlich finden auch Sie die vielen zivilen Opfer der israelischen Militärschläge gegen Hamas-Stellungen fürchterlich – wer nicht? Ihre kritischen Worte zur Politik von Benjamin Netanjahu werden viele unterschreiben. Sie beschreiben den Exodus von Juden aus Frankreich und vermerken beunruhigende Veränderungen in den USA. Wenn Ihr Cousin in Los Angeles Donald Trump trotz seiner antidemokratischen Grundeinstellung, aber wegen seiner beteuerten Treue zu Israel »aus Prinzip« wieder wählen will, schreiben Sie ihm »Schmock« ins Stammbuch.

Wer in der Bundesrepublik leben will, muss sich nicht zu Goethe, Beethoven oder zum Fan von Bayern München oder zu deutschen Sekundärtugenden bekennen, aber er muss unsere Rechtsordnung, vor allem das Grundgesetz respektieren: die Gleichberechtigung der Frauen und keine Völkerverhetzung. Verstöße müssen Folgen haben.

Sie sind im Ruhrgebiet aufgewachsen, Kind einer aus Persien in die Bundesrepublik geflohenen Jüdin und eines nichtjüdischen Deutschen. Sie sind Chefredakteur der »Jüdischen Allgemeinen«. Und Sie schreiben: »Die ersten Koffer sind schon gepackt. Doch dann ist da ein Detail, das mich nicht loslassen will: Ich bin ein deutscher Jude. Hier ist mein Platz! Hier wurde ich geboren, hier gehöre ich hin. Ich werde kämpfen. Ich möchte mich nicht von einem antisemitischen Mob tyrannisieren lassen. Deutschland ist ein gutes Land. Mit vielen großartigen Menschen.« Dafür dankt der Rezensent und denkt an seinen türkischen Markthändler, bei dem er köstliche Jaffa-Mandarinen kauft, die jener mit den Worten anpreist: »Aus Israel.«

Ihr Harald Loch

Philipp Peyman Engel: Deutsche Lebenslügen. Der Antisemitismus, wieder und immer noch. Dtv, 191 S., geb., 18 €.

Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.

Dank Ihrer Unterstützung können wir:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln

Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.