Alba Berlin schlittert in eine fast vertraute Krise

In der Euroleague starten die Berliner Basketballer so schlecht wie vor einem Jahr – doch diesmal kriselt es auch in der Bundesliga

  • Lennart Garbes
  • Lesedauer: 5 Min.
Albas Trevion Williams (M.) ist aktuell der einzige einsatzfähige »Big men« im Kader der Berliner Basketballer.
Albas Trevion Williams (M.) ist aktuell der einzige einsatzfähige »Big men« im Kader der Berliner Basketballer.

Eigentlich sollte alles besser werden. »Letztes Jahr war definitiv unser schlechtestes Jahr in der Euroleague. Aber wir tun alles, um wettbewerbsfähiger zu sein und die Saison besser genießen zu können.« Die Worte von Albas Sportdirektor Himar Ojeda, gesagt auf der Pressekonferenz vor dem Saisonstart, klingen inzwischen wie ein frommer Wunsch. Nach sieben Spieltagen im höchsten europäischen Basketballwettbewerb haben die Berliner Basketballer mit einem Sieg und sechs Niederlagen exakt die gleiche Bilanz wie vor zwölf Monaten.

Dabei war der Spielplan zum Start sogar gnädig. Fünf der ersten sieben Euroleague-Spiele durfte Alba zu Hause in der Uber-Arena bestreiten. Allerdings konnten die Berliner nur eines davon gewinnen, gegen das ebenfalls als Außenseiter eingeschätzte französische Team ASVEL Villeurbanne aus Lyon. Ansonsten setzte es Niederlagen, die in den letzten Spielen immer deutlicher ausfielen. Allein in den letzten drei Begegnungen erzielten Albas Gegner 48 Punkte mehr als die Berliner. Das Team scheint aktuell nicht näher dran an einer besseren Euroleague-Saison, sondern immer weiter davon entfernt.

Die Gründe dafür sind vielschichtig. Akut plagt Alba die erste große Verletzungsmisere der Saison. Dreierspezialist Matt Thomas konnte wegen einer Knieverletzung bisher noch kein Spiel machen. Das Gleiche gilt für Flügelspieler Malte Delow, der weiterhin mit den Folgen einer Gehirnerschütterung zu kämpfen hat. Zum Krankenstand kamen in dieser Woche noch Yanni Wetzell (gebrochener Daumen), Matteo Spagnolo (krank) und Jonas Mattisseck (Rückenprobleme) dazu.

Über den vielen nicht verfügbaren Spielern schwebt seit dieser Woche auch noch die Suspendierung von Khalifa Koumadje. Die Ex-Partnerin des 2,21 Meter großen Centers hatte öffentlich gemacht, dass der 28-Jährige sie körperlich verletzt haben soll. »Wir haben Kenntnis über Vorwürfe erlangt, die gegen Khalifa erhoben wurden. Diese Vorwürfe nehmen wir sehr ernst. Bis zur vollständigen Aufklärung dieser Vorwürfe ist Khalifa suspendiert worden«, erklärte Alba-Geschäftsführer Marco Baldi vor dem Heimspiel der Berliner gegen Paris Basketball am Dienstagabend.

Damit war klar, dass Alba gegen die Franzosen ohne die beiden nominellen Centerspieler Wetzell und Koumadje antreten musste. Gegen Paris startete die Mannschaft von Trainer Israel González angefeuert von den Alba-Fans trotzdem mit viel Energie. Mit einer Box-and-one-Verteidigung, einer Mischung aus Mann- und Raumdeckung, nahmen die Berliner TJ Shorts, den besten Punktesammler der Pariser, zu Beginn komplett aus dem Spiel. Nach dem ersten Viertel führte Alba mit 26:16. Danach fanden die Franzosen aber immer besser die Lücken in der Berliner Defensive. Mit 13 erfolgreichen Dreipunktwürfen in der zweiten Halbzeit drehte Paris das Spiel.

Nach dem starken Beginn wirkte Alba gegen Spielende auch aufgrund der anstrengenden Defensivstrategie müde, während Paris keine Mühe mehr hatte, zu freien Würfen zu kommen. Nach dem Spiel musste sich Coach González deswegen auch die Frage gefallen lassen, ob er zu lange an der Box-and-one-Verteidigung festgehalten hatte. »Das war meine Wette, dass sie in den entscheidenden Momenten nicht treffen. Aber sie haben weiter gepunktet«, nahm der sichtlich geknickte Spanier die 83:92-Niederlage auf sich.

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Waren gegen Paris die schwindenden Kräfte und ein letztlich fehlgeschlagener taktischer Kniff die Gründe für die Niederlage, zeigte sich im zweiten Euroleague-Duell in dieser Woche gegen Anadolu Efes noch ein weiteres Problem in dieser Saison: Nur wenn mehrere Alba-Spieler gleichzeitig eine Topleistung zeigen, können die Berliner in der Basketball-Königsklasse mithalten. Auch starke 24 Punkte von Kapitän Martin Hermannsson reichten deswegen am Donnerstag nicht aus, um das türkische Topteam aus Istanbul in Gefahr zu bringen. Stattdessen gab Anadolu seinen früh im zweiten Viertel heraus gespielten zweistelligen Vorsprung nie wieder her. Am Ende hieß es 70:86 für die Istanbuler, die vor allem direkt unter dem Berliner Korb viel zu oft zu einfachen Punkten kamen.

»Ich hasse es zu verlieren. Ich glaube, wenn alle Spieler gesund wären, hätten wir zwei oder drei Siege mehr in der Euroleague«, sah Kapitän Hermannsson auch gegen Anadolu das größte Problem in den vielen Verletzungen. Sportdirektor Himar Ojeda fühlte sich am Donnerstag wegen der vielen Ausfälle schon an die vergangene verletzungsgeplagte Saison erinnert: »Wir befinden uns gerade in einer schwierigen Phase. Aufgrund der vielen Verletzten müssen manche Spieler aktuell mehr Verantwortung übernehmen, als sie es eigentlich gewohnt sind und das ist schwer.« Damit sprach der Sportdirektor noch ein Problem der Berliner an, die in dieser Saison nach den Abgängen von Weltmeister Johannes Thiemann und Topscorer Sterling Brown noch mehr auf die Entwicklung der jungen Spieler im Alba-Kader setzen wollen. Bisher scheint noch keines der Talente bereit, das Mehr an Verantwortung zu tragen.

Im Gegenteil droht Alba in diesem Jahr auch in der Bundesliga eine schwierige Saison. In der vergangenen Spielzeit stand man trotz des schlechten Abschneidens in der Euroleague in der Bundesliga nie unterhalb des sechsten Platzes. Nach nur zwei Siegen aus fünf Spielen liegen die Berliner aktuell auf Platz 14. »In der BBL sollten wir eigentlich kein Spiel verlieren. Aber wir sind dort auch schlecht gestartet und jetzt geht es darum, Charakter zu zeigen und aufzuhören, Ausreden zu finden«, forderte Kapitän Hermannsson. Die nächste Chance gibt es bereits am Sonntag in Bamberg. Die Baskets liegen als Albas Tabellennachbar aktuell auf Platz 15. Eigentlich ein leichter Gegner für die anspruchsvollen Berliner.

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