Probleme bei der Polizeiausbildung

In Nordrhein-Westfalen gibt es zwar mehr Einstellungen, aber viele Neue werfen schnell wieder hin

Die Polizei hat ein Nachruchsproblem: Viele Anwärterinnen und Anwärter für den Dienst brechen ihre Ausbildung ab.
Die Polizei hat ein Nachruchsproblem: Viele Anwärterinnen und Anwärter für den Dienst brechen ihre Ausbildung ab.

Ein Viertel der angehenden Polizistinnen und Polizisten in Nordrhein-Westfalen haben ihr dreijähriges duales Polizeipflichtstudium nicht erfolgreich beendet. Rafael Behr, Professor an der Akademie der Polizei Hamburg, findet das erstaunlich: »Normalerweise fallen die meisten in den Anfangsmonaten raus«, erklärte er dem »nd«. »Aber 25 Prozent ist schon viel. Das war früher deutlich anders.«

Nach Recherchen der Funke-Mediengruppe sollen nur 1983 von 2674 Anwärterinnen und Anwärtern aus dem Jahrgang 2021 das Studium erfolgreich absolviert haben. Dem Bericht zufolge sollen aus dem ersten auf 3000 Studierende vergrößerten Jahrgang aus 2023 bis jetzt bereits mehr als 170 wieder ausgestiegen sein, aus dem Jahrgang davor schon fast 500. Dieser Trend lässt sich auch in anderen Bundesländern erkennen, in Nordrhein-Westfalen sticht er aber am deutlichsten hervor.

»Wenn man 3000 Frauen und Männer einstellt, dann muss man auch eine Ausbildung organisieren, die allen gerecht wird«, erklärte der NRW-Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Michael Mertens, gegenüber dem »nd«. Eine Abbrecherquote von fast 25 Prozent sei ein starkes Indiz dafür, dass etwas mit der Ausbildung nicht stimme.

»Die Hochschule der Polizei ist, was Personal und Räume angeht, für 2500 Studierende in einem Jahrgang ausgelegt und nicht für 3000.«

Michael Mertens Gewerkschaft der Polizei

Spricht man mit angehenden Kommissaranwärterinnen und -anwärtern, so bestätigt sich das, was Mertens sagt. Viele fühlen sich nicht gut auf das vorbereitet, was später im Beruf auf sie zukomme. »Die Hochschule der Polizei ist, was Personal und Räume angeht, für 2500 Studierende in einem Jahrgang ausgelegt und nicht für 3000«, sagte Mertens. So stimme das so wichtige Betreuungsverhältnis von Studierenden und Dozentinnen oder Dozenten bei einem vergrößerten Jahrgang nicht mehr. Die einzelnen Kurse seien zu groß, dadurch komme der persönliche Kontakt zu den Lehrenden viel zu kurz, meinte Mertens. Zudem seien die Ausbildungsstätten – Polizei-Hochschulen sowie Polizeiwachen – kaum angemessen ausgestattet für so viele Berufsanfänger.

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) hält dagegen: »Wir wollen möglichst vielen Menschen, bei denen wir Talent und Potenzial sehen, die Chance geben, bei der Polizei zu beginnen. Aber nicht jeder Anwärter wird später Polizist. Die Leute müssen sich beweisen«, sagt er gegenüber der Funke-Mediengruppe.

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Polizeiwissenschaftler Rafael Behr sieht dies differenzierter. »Für das duale Studium haben wir ein Problem mit dem Aspirationsniveau.« Wenn Menschen, die die Hochschulreife haben, während des Studiums merkten, dass der Polizeiberuf doch nichts für sie sei und sie lieber etwas anderes studieren möchten, dann könnten sie nicht einfach weggehen. »Denn dann müssen sie das Gehalt, das sie empfangen haben, zurückzahlen«, sagt Behr. Der einzige Ausweg ist laut Behr, sich mehrmals durch einige Prüfungen fallen zu lassen. »Dann würde man wegen Nichtbestehens exmatrikuliert werden und muss nichts zurückzahlen.«

Generell unterliegt der Polizeidienst auch dem gesellschaftlichen Wandel und muss sich auf neue Generationen samt deren Bedürfnissen einstellen. Ein Problem sei, dass die »Polizei nach wie vor nach Menschen sucht, die so ähnlich sind wie die früheren Einstellungsjahrgänge und nicht realisieren, dass heute andere Menschen den Beruf ergreifen«.

Gewerkschafter Michael Mertens sieht bei vielen Anwärterinnen und Anwärtern falsche Vorstellungen als einen Grund für ihr Scheitern. »Vielleicht sind sich einige angehenden Polizistinnen und Polizisten nicht darüber im Klaren, was es bedeutet, in diesem Beruf zu arbeiten, mit Wochenend- und Nachtarbeit. Nach dem ersten Praktikum werfen sie dann hin.«

Dass es ein Umdenken geben muss angesichts der hohen Abbrecherquote in NRW, scheint auch die Landespolitik erkannt zu haben. Bald soll es mehr Repetitorien in allen Klausurfächern, zusätzliche kleine Lerngruppen, mehr Sport, Online-Rechtschreibkurse, mehr Studienberatung und spezielle Jahrgangsbetreuer geben. Darüber hinaus soll ein zusätzlicher Prüfungsversuch in der Fachtheorie im Grundstudium möglich sein, heißt es aus Polizeikreisen.

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