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Aufnahme von Kindern: Humanitäre Hilfe oder Wahlkampftaktik?

Mehrere Städte wollen Kinder aus Gaza und Israel aufnehmen

Die Not im Gazastreifen wird immer größer: Palästinenser kämpfen um gespendete Lebensmittel in einer Gemeinschaftsküche in Gaza-Stadt.
Die Not im Gazastreifen wird immer größer: Palästinenser kämpfen um gespendete Lebensmittel in einer Gemeinschaftsküche in Gaza-Stadt.

Hannover machte den Anfang, Düsseldorf und Bonn zogen nach: Die drei Großstädte wollen schutzbedürftige oder traumatisierte Kinder aus dem Gazastreifen und Israel aufnehmen. »Diese starke und zutiefst menschliche Geste wollen wir auch in Düsseldorf aufgreifen«, erklärte Oberbürgermeister Keller (CDU). In einer Mitteilung der Stadt heißt es: »Die Bilder von verletzten und traumatisierten Kindern – ob in Israel oder in Gaza – sind schwer erträglich. Wir blicken mit großer Sorge auf die Situation.«

Die Städte planen zunächst die Aufnahme von bis zu 20 Kindern. Eine Ausweitung über Gast- oder Pflegefamilien sei denkbar. Laut Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay hätten bereits andere Städte Interesse an einer Beteiligung an ähnlichen Programmen bekundet.

Die konkrete Umsetzung bleibt jedoch ungeklärt. Erforderlich wäre die Unterstützung des Bundes für die notwendigen Einreiseverfahren, die Auswahl der Kinder und die medizinische Koordination. In Düsseldorf gab es bereits erste Gespräche mit der Jüdischen Gemeinde und dem Kreis der Düsseldorfer Muslime, berichtete Keller.

Kritik der Linken

Die Düsseldorfer Linke zeigt sich skeptisch und vermutet ein Wahlkampfmanöver. Noch am 10. Juli habe die Verwaltung auf eine entsprechende Anfrage geantwortet, dass »die Landeshauptstadt Düsseldorf weder kommunale Möglichkeiten noch Zuständigkeiten hat, um Städte zu unterstützen, zu denen keine Partnerschaften oder offiziellen Kontakte auf städtischer oder Landesebene bestehen«, teilte die Partei dem »nd« mit.

Nun vollzieht Keller eine Kehrtwende. In Nordrhein-Westfalen finden in knapp einem Monat Kommunalwahlen statt – Keller kandidiert erneut für das Oberbürgermeisteramt. Die Linke kritisiert zudem, dass Keller bislang nicht auf den am 27. Juni angenommenen Ratsantrag »Hilfe für Kriegsopfer in Israel und Palästina« reagiert habe. Erst jetzt, da »die gesellschaftliche Meinung zu kippen beginnt«, habe der Oberbürgermeister »die Humanität für sich entdeckt«, vermutet die Partei.

Bei der Realisierung des Vorhabens sind allerdings noch zahlreiche Fragen offen. Claudia Peppmüller vom Friedensdorf International sieht beispielsweise Klärungsbedarf bei der Auswahl der Kinder und der Koordination der Einreise. Unklar sei auch, ob Hamas und Israel dem Vorhaben zustimmen müssten. Geklärt werden müsse außerdem, welche Begleitpersonen die Kinder mitbringen dürfen und wer die Verantwortung übernimmt.

Zurückhaltung aus Berlin

Reserviert reagierte Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU) auf die Pläne der drei Städte. Zunächst sei es wichtig, vor Ort zu helfen, sagte er in der RTL/N-TV-Sendung »Frühstart«. Man wolle möglichst vielen Menschen helfen: »Deshalb wäre ich zurückhaltend bei der Frage, inwieweit man ausfliegen kann. Dabei ginge es immer nur um einzelne Personen, und es wären viele Fragen zu klären.«

Das Bundesinnenministerium hatte sich bereits am Wochenende zurückhaltend geäußert: »Die Umsetzbarkeit derartiger Initiativen hängt entscheidend von der Sicherheitslage, der Möglichkeit der Ausreise und weiteren Faktoren ab«, erklärte ein Sprecher gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Konkrete Vorhaben würden derzeit mit Partnern geprüft, wobei »die Ausweitung der medizinischen Hilfe vor Ort und in regionaler Nähe im Hauptfokus« stehe.

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