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Polizei listet 16 000 Menschen als »psychisch krank«

Interpol und BKA ignorieren Kritik von Datenschutzbehörde

Tatort in Moers, wo ein offenbar psychisch kranker Mann im Sommer die Polizei angegriffen hat. Durch eine Datenabfrage vor einem Einsatz könnten die Beamt*innen vor solchen Fällen gewarnt werden.
Tatort in Moers, wo ein offenbar psychisch kranker Mann im Sommer die Polizei angegriffen hat. Durch eine Datenabfrage vor einem Einsatz könnten die Beamt*innen vor solchen Fällen gewarnt werden.

Das Bundeskriminalamt (BKA) will über Interpol gesuchte Personen weiterhin mit der Kategorie »Mentally ill« (»Psychisch krank«) im deutschen Fahndungssystem speichern, auch wenn dazu kein ärztliches Attest oder ein Gutachten vorliegt. Das bestätigte eine BKA-Sprecherin auf Nachfrage des »nd«. Jedoch widerspricht diese Praxis den Interpol-Statuten. Der damalige Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) Ulrich Kelber hatte dies in seinem Tätigkeitsbericht für das Jahr 2023 betont und eine Änderung gefordert. Weder Interpol noch das BKA wollen dafür jedoch Verantwortung übernehmen.

Bei den Speicherungen geht es um Fahndungen, die Interpol an die Zentralbüros seiner 196 Mitgliedstaaten verteilt. Dort werden sie gewöhnlich ohne eigene Überprüfung in die nationalen Systeme übernommen. In Deutschland ist dies die Datei »Personenbezogene Hinweise« (PHW), die das BKA innerhalb seiner Inpol-Datei führt. Nach Übernahme der Interpol-Fahndungen wird aus der Kategorie »Mentally ill« das Kürzel »PSYV« (»Psychische- und Verhaltensstörung«). Insgesamt sind derzeit in Deutschland rund 16 000 Menschen mit einer solchen Angabe gespeichert. Alle Bundesländer sowie der Zoll können diese Daten abfragen.

Eine Bewertung der Interpol-Fahndungen aus eigenen Erkenntnissen sei dem BKA »naturgemäß nicht möglich«, erklärt die Behörde »nd« zu der fragwürdigen Praxis. Die deutschen Beamt*innen müssten sich deshalb an der Sachverhaltsschilderung orientieren, die den internationalen Fahndungsersuchen beigelegt ist. Für die inhaltliche Richtigkeit sei das Nationale Zentralbüro des ausschreibenden Mitgliedstaates zuständig. So stehe es auch in den Interpol-Statuten.

Die deutsche Datenschutzbehörde möge sich wegen möglicherweise fehlerhafter Speicherungen an Interpol wenden, so das BKA. Dort wurde Kelber jedoch das Gegenteil erklärt: Das BKA sei als deutsches Nationales Zentralbüro »einziger zuständiger Kommunikationspartner« für Interpol. Für den Datenschutzbeauftragten ist das ein Rückschlag: »Gerade mit Blick darauf, dass Interpol die Achtung der Grundrechte betont, hätte ich eine andere Reaktion erwartet.«

Sie befinde sich mit dem BKA in einem »noch andauernden Austausch« zum Umgang mit Angaben aus den Interpol Notices, erklärte ein Sprecher von Louisa Specht-Riemenschneider, der aktuellen Beauftragten für den Datenschutz. Zur Frage, wie das Problem der zweifelhaften Praxis, die gegen Interpol-Statuten verstößt, eingehegt werden kann, will die BfDI »aufgrund des laufenden Beratungsprozesses« deshalb keine Auskunft geben. »Hervorzuheben ist jedoch, dass die Zusammenarbeit mit Interpol nicht ausschließlich an den Erfahrungen deutscher Aufsichts- und Polizeibehörden gemessen werden kann«, so der Sprecher zu »nd«.

Personengebundene Hinweise sollen bei einer Polizeikontrolle über eine damit verbundene Abfrage von Datenbanken der Eigensicherung von Beamt*innen dienen. Allerdings ist häufig unklar, auf welchen Wegen die Betroffenen in diesen Systemen landen. Über 250 000 Menschen sind derzeit als »gewalttätig« gespeichert, mehr als eine halbe Million als »Betäubungsmittelkonsument«, rund 22 000 mit »Ansteckungsgefahr«.

In den 2010er Jahren wurde bekannt, dass die Polizeien die PHW nicht nur zur Eigensicherung, sondern auch für Ermittlungen und damit zweckfremd nutzen. Das BKA hat daraufhin einige der PHW-Kategorien in sogenannte »Ermittlungsunterstützende Hinweise« (EHW) überführt. Darunter fallen etwa sämtliche Kategorien aus der organisierten oder politisch motivierten Kriminalität.

Auch zu den deutschen Speicherungen hatte der Bundesdatenschutzbeauftragte festgestellt, dass die Vergabe der Kategorien oft nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Bei einem Kontrollbesuch deckte Kelber gravierende Dokumentationsmängel auf. Insgesamt 3035 PHW wurden demnach ohne ausreichende Belege vergeben, trugen aber den Vermerk »Altbestand, Besitzer nicht geprüft«. Weil dies gegen das Bundeskriminalamtgesetz verstößt, ordnete Kelber die Löschung an. Dem sei das BKA nachgekommen. In seinem Bericht übt Kelber aber auch Kritik an der Aktenführung des BKA und fordert eine klare, rechtssichere Grundlage für künftige Speicherungen.

Die Speicherung von Menschen ohne medizinische Grundlage als »psychisch krank« ist ein unhaltbarer Eingriff in deren Grundrechte, mein Kathrin Vogler, die für die Linke im Bundestag sitzt. »Die Polizei zeigt immer wieder, dass sie nicht geschult ist, um mit psychisch kranken Menschen umzugehen, das zeigt der tragische Fall von Mouhamed Dramé in Dortmund«, sagt Vogler, die auch gesundheitspolitische Sprecherin der Gruppe ist, zu »nd«. Neben einer besseren Kontrolle der Sicherheitsbehörden, um den Missbrauch persönlicher Daten zu stoppen, brauche es Reformen in der Versorgung psychisch kranker Menschen.

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