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Der diesjährigen Weltklimakonferenz fehlt der Elan

Auf der Weltklimakonferenz in Baku wird der Stillstand verwaltet

Eine Lethargie liegt über dem Veranstaltungsgelände der Weltklimakonferenz in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku.
Eine Lethargie liegt über dem Veranstaltungsgelände der Weltklimakonferenz in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku.

Dicht gedrängt werden jeden Morgen zehntausende Konferenzteilnehmer*innen aus den verschiedenen Ecken der aserbaidschanischen Hauptstadt eingesammelt und mit Shuttel-Bussen zum Nationalstadion verfrachtet. Durch menschenleere Straßen, vorbei an sozialistischen Betonkonstruktionen und modernen Glasriesen.

Nur in jeder vierten oder fünften Etage brennt ein Licht in den dämmrigen Morgenstunden. Dafür flattert von jedem Fenster und jedem Balkon die Nationalflagge Aserbaidschans.

27 Meter unterhalb des Meeresspiegels liegt die Hauptstadt des autokratisch regierten Landes. In den verregneten Straßenschluchten von Baku, begleitet von dem Anblick zur Wache stehender Soldaten und Polizisten, mag man die Schwere der Wassermassen fast zu spüren glauben.

Aus dieser unwirklichen Kulisse tritt man in eine andere: die Welt des 29. Weltklimagipfels. Hinter den Sicherheitsschleusen wartet ein Wirrwarr von Gängen, aus denen zahllose Verhandlungsräume, Konferenzsäle und nebeneinander stehende Pavillonreihen herauswachsen.

»Das Geräusch, das Sie hören, ist die tickende Uhr«, richtet sich UN-Chef António Guterres in seiner Auftaktrede an die Weltgemeinschaft. »Der Countdown läuft, um den globalen Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen.« Würde man den Portugiesen nicht wahrhaftig auf der Bühne gestikulieren sehen, könnte man meinen, es sei eine Aufnahme von einer früheren COP – wie die UN-Konferenzen abgekürzt werden.

Umweltaktivist*innen sind mit dem Verlauf der Weltklimakonferenz unzufrieden.
Umweltaktivist*innen sind mit dem Verlauf der Weltklimakonferenz unzufrieden.

Hinter verschlossenen Türen wird jedes Jahr an neuen Abkommen gestrickt, die auf den Verträgen und Rahmenwerken vergangener Gipfel aufbauen. Und doch schraubt sich die Kurve der globalen Treibhausgasemissionen scheinbar unbeeindruckt Jahr für Jahr weiter nach oben.

Dieses Jahr fühle sich die COP anders an, sagt Dianah Mugalizi, Afrika-Koordinatorin der Klimagerechtigkeitsbewegung Debt for Climate. Es gebe keine Energie auf den Gängen, viele Staatschefs, auch aus Afrika, seien erst gar nicht angereist. Dabei müsse gerade dieser Gipfel, bei dem es zuvorderst um neue Summen und Regeln zur Klimafinanzierung geht, mehr als nur Absichtserklärungen bringen, appelliert Mugalizi. »Wir brauchen Konkretes.«

Die ärmsten Länder fordern den Sprung von Milliarden zu Billionen. Die Industrienationen wollen aber erst über Summen reden, wenn die reichen Entwicklungsländer – die Golfstaaten, Südkorea oder China – mit in die Pflicht genommen werden. Außerdem pochen die Industriestaaten auf den Vorrang privater Investitionen.

UN-Klimakonferenz COP 29

Wie weiter bei der globalen Klimapolitik? Darüber beraten über 200 Staaten vom 11. bis 22. November in Baku.

Wenn es ums Geld geht, sind die Verhandlungen immer schwierig, aber dieses Jahr sind die Vorzeichen besonders schlecht. In der Mitte des Gipfelgeländes stehen zwei Elefanten. Ein großer und ein kleiner.

Der große heißt Donald Trump. Er hat gerade die US-Präsidentschaftswahlen für sich entschieden. Trump hat angekündigt, wieder aus dem Pariser Klimaabkommen auszutreten, und es gibt keinen Grund, ihm das nicht zu glauben. Mehr noch, Trump könnte aus der gesamten Klimarahmenkonvention austreten und damit einen erneuten Eintritt künftiger Regierungen erschweren.

Neben diesem großen Elefanten steht ein kleiner – das Polit-Debakel in Deutschland. Die drittgrößte Wirtschaftsnation steht damit ziemlich nackt auf dem Gipfel. Bis zu den voraussichtlichen Neuwahlen ist Europas einflussreichstes Land erst mal gelähmt. Zudem hatte Außenministerin Annalena Baerbock im Vorfeld erklärt, Deutschland habe aufgrund der angespannten Haushaltslage keinen Spielraum, um in Baku mehr Geld auf den Tisch zu legen.

Die Verhandler*innen, die durch die Gänge von Termin zu Termin hasten, geben sich bislang größte Mühe, weder den einen noch den anderen Elefanten anzurempeln. Nicht laut, aber leise dürften sich zumindest die Delegierten der ärmsten und am meisten unter dem Klimawandel leidenden Länder denken, was der Außenminister von Papua-Neuguinea, Justin Tkatchenko, als Einziger aussprach: »Die COP ist eine totale Zeitverschwendung.« Folgerichtig hat der Inselstaat gleich gar keine Delegation nach Baku geschickt.

Das abgekapselte Klimagipfel-Universum lässt sich davon wenig anmerken. Doch vielleicht hat Dianah Mugalizi recht, und es liegt tatsächlich was in der Luft. Vielleicht hasten die Verhandler*innen, Beobachter*innen und Journalist*innen dieses Jahr etwas träger als sonst über das Konferenzgelände.

Dennoch werden wie immer alarmierende und ermutigende Worte gesprochen. Delegierte aus den fast 200 Ländern, zahlreiche Unternehmen und Initiativen appellieren, versprechen, danken sich selbst und allen anderen für die vergangenen Anstrengungen.

»Für diejenigen von uns, die sich für Klimaschutz einsetzen, ist das Ergebnis der letzten Woche in den Vereinigten Staaten eine herbe Enttäuschung«, so US-Klimasondergesandter John Podesta, der zu Beginn des Gipfels vor einigen Journalist*innen und der bei jeder Sprechpause fleißig klatschenden US-Delegation dann doch den großen Elefanten anrempelt.

Allerdings nur, um in typischer COP-Manier die unmögliche Verrenkung zu meistern. Sein Land habe in den vergangenen vier Jahren großartige Klimaanstrengungen vollbracht, sagt Podesta. Und er wagt das schiefe Versprechen, die USA würden weiterhin Emissionen reduzieren, »zum Wohle unseres Landes und zum Wohle der Welt«.

Auf dem Weg durch die Gipfelhallen kommentiert die kenianische Aktivistin Mugalizi dies nur beiläufig: »Kann er mir die Statistiken dazu geben? Wo sind sie, diese Klimaanstrengungen? Alles, was ich gesehen habe, ist ein Land, das vor der Klimakrise wegrennt.« Mugalizi selbst hat im vergangenen April durch die Flut in Kenia ihre Wohnung verloren.

Drei Tage später und 30 Minuten Fußmarsch durch das Gipfel-Labyrinth entfernt, nimmt die Sprecherin von Fridays for Future USA vor dem deutschen Pavillon zur Präsidentschaftswahl Stellung. »Kalte Angst und Wut habe ich gefühlt«, sagt Katharina Maier. Neben ihr steht Bruno Sirote von der argentinischen Klimagerechtigkeitsgruppe Jóvenes por el Clima – Jugend fürs Klima. Das von dem Rechtspopulisten Javier Milei regierte Argentinien war zwar mit einer Delegation nach Baku angereist, diese hat aber schon nach vier Tagen ohne Begründung den Gipfel verlassen. Ironisch kommentiert Sirote, die Delegation sei vermutlich wieder abgereist, weil sie meine, damit den Kommunismus zu bekämpfen. Ebenso wie Trump bestreitet auch Milei den menschengemachten Klimawandel.

Anders als die Regierung stehe die argentinische Zivilgesellschaft zum Klimaschutz, schiebt Sirote nach. Doch gerade die Bedeutung der Zivilgesellschaft erodiert von Gipfel zu Gipfel. Das dritte Jahr in Folge findet die Konferenz in einem repressiven Staat statt. Anders als 2009 in Kopenhagen oder 2021 in Glasgow sind Proteste außerhalb des COP-Geländes nicht erlaubt.

Auch die Möglichkeiten, auf dem Konferenzgelände zu protestieren, seien in der Vergangenheit immer wieder eingeschränkt worden, sagt Annika Kruse von Fridays for Future Deutschland. »Zum Demonstrieren gibt es nur wenige designierte Orte, die in der Regel in großer Entfernung zu den tatsächlichen Entscheidungsorten sind – und Namen von Personen oder Ländern dürfen nicht genannt werden.«

»Wir brauchen Konkretes.«

Dianah Mugalizi Debt for Climate

Der Unmut der Klimabewegung über die frühe Teileinigung zu Regeln des CO2-Kompensationsmarktes war trotzdem nicht zu überhören. Die Staaten hatten sich auf Regeln geeinigt, die es Unternehmen ermöglichen sollen, tatsächlich oder angeblich unvermeidbare Emissionen über Klimaschutzprojekte zu kompensieren.

Das ist über den höchst umstrittenen freiwilligen CO2-Markt zwar schon lange möglich. Mit der Einigung ebnen nun aber auch die Vereinten Nationen diesem häufig als »Klima-Ablasshandel« kritisierten Marktmechanismus den Weg.

CO2-Märkte als Klimaschutz-Lösung zu legitimieren, sende ein schlechtes Signal zu Beginn der COP 29, fürchtet Ilan Zugman, Lateinamerika-Direktor der Klimaschutzorganisation 350.org. »Sie sind keine Lösung. Sie werden Ungleichheiten verstärken, gegen Menschenrechte verstoßen und echten Klimaschutz behindern.«

In einer Pressekonferenz indigener Frauen des Amazonas-Regenwaldes kommen die Märkte ebenfalls zur Sprache. Die Gründerin des Women’s Earth and Climate Action Network, Osprey Orielle Lake, erklärt unumwunden: »Wir wollen diese Ausgleichszertifikate nicht. Wir wollen diese Biodiversitätszertifikate nicht.« Bei jedem Satzende schneidet sie mit ihrer Hand ruckartig durch die Luft. »Wir wollen die Kommerzialisierung des Amazonas-Regenwaldes nicht.«

All das bringe nur weiteres Leid für die indigenen Gemeinschaften. Concita Sõpré, Präsidentin der Föderation der indigenen Völker des brasilianischen Bundesstaates Pará und Vertreterin der indigenen Ethnie Xerente, spricht als Nächste. Die Welt verlange viel von Amazonien. Der Abbau fossiler und anderer Rohstoffe, zerstöre nicht nur den Wald und vergifte das Wasser, er sei auch ein Angriff auf die gesetzlich garantierten Gebiete der Indigenen.

In ruhigem, selbstbewusstem Ton lädt Sõpré zum Ende ihrer Rede alle auf den kommenden Klimagipfel COP 30 ein. Ausgetragen wird er in Belém, einer Großstadt im brasilianischen Amazonasgebiet. Wenn dann alle sehen könnten, wie schön der Regenwald sei, würden sie verstehen, warum die Menschheit gemeinsam für den Erhalt des Waldes und den Erhalt des Planeten kämpfen müssten.

Auch Dianah Mugalizi hat große Erwartungen an die COP 30 in Brasilien. Vor allem die Forderung nach einem bedingungslosen Schuldenschnitt für die Länder im globalen Süden – ein Thema, das bei den diesjährigen Klimaverhandlungen kaum eine Rolle spielen wird – werde dort mehr Gehör finden, hofft sie.

Und wer weiß. Vielleicht stehen Waldelefanten ja weniger doof im Weg herum als der orangefarbene Riesenelefant und der schwarz-rot-goldene Kleinelefant dieses Jahr.

Wenn der Waldelefant am Ende noch einen Spiegel mitbringt, könnte gar das geschehen, was die Klimabewegung und die ärmsten Länder auf jeder Klimakonferenz von Neuem fordern. Die Weltgemeinschaft könnte sich den Spiegel vorhalten. Allerdings ist auch dann noch nicht gesagt, dass sie am letzten Konferenztag nicht an der Ausgangstür der Gipfel-Parallelwelt durch ebendiesen Spiegel steigt und in der realen Welt dann in die entgegengesetzte Richtung läuft.

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