Wenig Bewegung an den Schulen

Stiftung fordert Gesundheitsbildung, kostenloses Schulessen, mehr Bewegung und geschulte Fachkräfte

Bewegungsangebote auch auf Schulhöfen sollten vielfältiger werden: In Bochum hatte man diese Idee für einen neuen Parcour an einer Gesamtschule.
Bewegungsangebote auch auf Schulhöfen sollten vielfältiger werden: In Bochum hatte man diese Idee für einen neuen Parcour an einer Gesamtschule.

Zehn bis 13 Jahre verbringen Heranwachsende an der Schule, etwa 30 Stunden pro Woche, mit Auswirkungen in die Freizeit. Die Institution solle nicht nur aus diesem Grund gesundheitsfördernd wirken, sondern auch, weil in diesen Lebensjahren Anlagen geweckt, Talente und Fähigkeiten entwickelt werden können. Dass die deutschen Schulen noch ein zu wenig unterstützendes Umfeld anbieten, zeigte der am Dienstag in Berlin vorgestellte Kindergesundheitsbericht. Erarbeitet wurde er unter Leitung der gemeinnützigen Stiftung Kindergesundheit, herausgegeben unter anderem vom Wort&Bild-Verlag für Gesundheitsmedien, einer Krankenkasse und dem Pharmahersteller MSD.

Gesundheitsfördernde Schulen sind in Deutschland noch lange nicht Standard. Das zeigt sich unter anderem im internationalen Vergleich. Vorschläge und Erkenntnisse der Weltgesundheitsorganisation WHO sind nicht umgesetzt, und wenn doch, dann kaum in der Fläche. Anmerkungen dazu kommen von Martin Weber. Der Kinderarzt ist seit 25 Jahren bei der WHO tätig. Die Organisation berichtet kontinuierlich über Fortschritte der Länder auch im Bereich Schulgesundheit, unter anderem über Gesundheitskompetenzen. In Finnland etwa gibt es klare Definitionen darüber je nach Alter und Klassenstufe. Dabei geht es unter anderem darum, Gesundheitsinformationen zu verstehen und kritisch mit digitalen Medien umzugehen. In Deutschland fehlt so etwas, von einem extra Schulfach gar nicht zu reden. Entsprechend ist Deutschland bei der Gesundheitskompetenz gemeinsam mit Belgien Schlusslicht in Europa.

Deutschland ist bei der Gesundheitskompetenz der Schüler gemeinsam mit Belgien Schlusslicht in Europa.

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Aber es mangelt auch an einem bewegungsfördernden Umfeld in den Schulen. »Nur elf Prozent der Mädchen und 20 Prozent der Jungen im Schulalter entsprechen der WHO-Empfehlung, sich pro Tag mindestens 60 Minuten zu bewegen«, beklagt auch Berthold Koletzko, ebenfalls Pädiater und Vorstand der Stiftung Kindergesundheit. »Es gelingt noch nicht, Bewegung in den Schulalltag einzubinden.« Dabei sei das gar nicht schwer: »Fünf Minuten Bewegungspause in jeder Schulstunde, das könnten schon 30 Minuten am Tag sein.« Vorbildlich sei etwa die britische Initiative »Daily Mile«, die Kinder ermutigt, täglich zusätzlich 15 Minuten zu laufen oder zu gehen. »Das passiert in der Unterrichtszeit, im Freien und bei jedem Wetter«, berichtet Martin Weber. »Kinder sollten zudem bis zum Ende der Grundschule Schwimmen gelernt haben, hier sind jedoch die Kommunen gefragt, um entsprechend Hallen bereitzustellen.«

Auch bei der Schulernährung sehen die Experten Nachholbedarf, da es eben nicht nur darum gehe, über das beste Essen etwas zu lernen, sondern es auch in der Schule zu bekommen. Hier kann WHO-Mitarbeiter Weber auf Italien und Frankreich verweisen, wo das Essen täglich frisch an den Schulen zubereitet werden muss, und war aus ebenfalls frischen und lokal eingekauften Zutaten. Koletzko verweist auf den Bürgerrat Ernährung: Auch dieser hatte als schnell umsetzbare und wirksame Maßnahme empfohlen, ein qualitativ gutes und kostenfreies Schulessen für alle Kinder einzuführen. Auch andere Expertenräte hielten das für eine sinnvolle Investition in Sachen Prävention von Krankheiten.

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Egal, bei welchem Teilaspekt von Gesundheitsförderung an Schulen, die Defizite sind groß, und das ist nicht nur dem föderalen System geschuldet, in dem die Bundesländer jeweils für ihre Schulpolitik verantwortlich sind. »Zwar hat die Bundesrepublik die UN-Kinderrechtskonvention ratifiziert und auch ein Bundesgesetz verabschiedet. Sie hält die Vorgaben aber nicht ein«, kommentiert Koletzko den Stand der Dinge. Den Lehrkräften schreibt der Kinderarzt guten Willen zu, aber sie seien oft überlastet. »Am Ende werden die Kinder mit ihren Bedürfnissen allein gelassen.«

Abhilfe könnten Gesundheitsfachkräfte an den Schulen schaffen. Sie würden Routine-Untersuchungen und Gesundheitsbildung anbieten, in Notfällen da sein und bei Fragen helfen, in denen es um psychische oder sexuelle Gesundheit geht. In vielen Ländern gibt es solche Fachkräfte, unter anderem in den USA. Von dort berichtet Heidrun Thaiss von der Gesellschaft für Sozialpädiatrie über eine Schule in Philadelphia, in der sie mit einer solchen School Nurse sprach. Diese versorgte und beruhigte etwa ein Kind mit einem akuten Asthma-Anfall: »Nach einer halben Stunde konnte das Kind zurück in den Unterricht, die Eltern mussten nicht kommen und es war auch kein Notfalleinsatz nötig.« In Deutschland aber arbeiten, Stand Juli 2024, insgesamt erst 133 Schulgesundheitsfachkräfte, 20 weitere sind geplant. In sieben Bundesländern gibt es sie noch gar nicht. Ähnlich lückenhaft sind Schulpsychologen und -sozialarbeiter im Einsatz, obwohl die Ideen schon älter sind und der Bedarf groß ist.

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