Wo bleibt der Osten?

Die meisten Fördermittel für die Wissenschaft fließen in die alten Bundesländer

  • Manfred Ronzheimer
  • Lesedauer: 4 Min.
Nur wenige ostdeutsche Unis erhalten in größerem Maßstab Drittmittel.
Nur wenige ostdeutsche Unis erhalten in größerem Maßstab Drittmittel.

Alle drei Jahre gibt die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) mit einem großen Datenbericht Rechenschaft darüber, in welche Wissenschaftseinrichtungen ihre Fördermittel fließen. In den neuen »Förderatlas«, der in dieser Woche in Berlin vorgestellt wurde, sind auch die Kennzahlen von zwei weiteren wichtigen Geldgebern – der Bundesregierung und der EU-Kommission – eingegangen.

Danach wurden in den Jahren 2020 bis 2022 von der DFG Forschungsprojekte in 28 000 deutschen Hochschul- und Forschungsinstituten mit 10,3 Milliarden Euro unterstützt; die Bundesministerien vergaben über ihre Projektförderung 12 Milliarden Euro, und die EU steuerte aus ihrem Forschungsrahmenprogramm »Horizon Europe« 2021/22 rund 3,1 Milliarden Euro bei. Zusätzlich bekam die deutsche Wirtschaft für ihre Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen 4,5 Milliarden Euro vom Bund und 940 Millionen Euro von der EU.

Der große Geldsegen dieser »Drittmittel« – so genannt, weil sie neben der Grundfinanzierung der Einrichtungen durch die Länder und den Gebühren von den Nutzern eine dritte Einnahmequelle darstellen – ist aber bundesweit unterschiedlich verteilt. So wird die Rangliste der drittmittelstärksten Hochschulen seit Jahren von süd- und westdeutschen Unis wie München, Heidelberg, Aachen und Bonn angeführt. Im DFG-Ranking der 40 »Besten« tauchen aus Ostdeutschland lediglich die TU Dresden und die Unis Jena und Leipzig auf.

Etwas besser sieht es bei der Drittmittel-Auswertung der ingenieurwissenschaftlichen Fächer aus. Hier sind in der 40er-Liste immerhin acht Ost-Hochschulen dabei, wiederum angeführt von der TU Dresden. Die musste allerdings im neuen Förderatlas einen empfindlichen Abstieg verkraften: von Platz 5 im Jahre 2021 auf Rang 13 im laufenden Jahr. Der Grund dafür ist aber kein Qualitätsabfall, sondern die Tücken der Statistik. Die Drittmittelsumme von 265 Millionen Euro fiel um knapp 28 Millionen Euro geringer aus als vor drei Jahren, weil der »Bonus« für das Zukunftskonzept der sächsischen Exzellenz-Uni nicht mehr als Drittmittel, sondern neuerdings als Grundausstattung berechnet wird.

»Die Unternehmen gehen dorthin, wo sie freier forschen können.«

Volker Meyer-Guckel Stifterverband

Zweitbeste Hochschule aus den neuen Bundesländern wurde in den Ingenieurwissenschaften die TU Freiberg (mit Drittmitteln in diesen Fächern in Höhe von 29 Millionen Euro in den Jahren 2020 bis 2022) vor der TU Ilmenau (24 Millionen), der TU Chemnitz (21) und der Uni Magdeburg (20). Zum Vergleich: Die RWTH Aachen an der Spitze der Technikfächer nahm in gleichen Zeitraum 176 Millionen Euro an zusätzlichen Forschungsgeldern ein.

Blass schneiden die Ost-Hochschulen dagegen in den Fächergruppen Geistes- und Sozialwissenschaften sowie Naturwissenschaften ab, mit jeweils vier Nennungen unter den 40 Besten. Günstiger sieht es in den Lebenswissenschaften (Biologie, Medizin) aus, wo sieben Ost-Unis im Ranking auftauchen: als erste die Uni Leipzig auf Platz 19 (mit Drittmitteln von 69 Millionen Euro in dieser Gruppe) vor Dresden, Jena und Halle-Wittenberg.

Insgesamt vergab die DFG von ihren Bewilligungen mit einer Summe von 10 Milliarden in den Jahren 2020 bis 2022 knapp 1,3 Milliarden Euro in die fünf ostdeutschen Bundesländer. Am meisten mit 616 Millionen Euro nach Sachsen, wo teure Technikforschung zu finanzieren war, vor Thüringen (252 Millionen Euro), Sachsen-Anhalt (169), Brandenburg (163) sowie Mecklenburg-Vorpommern (109).

Sorgen bereitet den Forschungsförderern zudem der Rückzug der Wirtschaft, die immer weniger Forschungsaufträge an heimische Hochschulen vergibt. Danach verringerte sich der Anteil der Wirtschaft an den Drittmitteleinnahmen der Hochschulen von 19,2 Prozent im Jahre 2013 auf 14,7 Prozent 2022. »Mit Blick auf die Bedeutung des Transfers ist dies eine bedenkliche Entwicklung«, betonte DFG-Präsidentin Katja Becker bei der Vorstellung des Atlas.

Zur Begründung für das rückläufige Engagement der Unternehmen im deutschen Hochschulsystem verwies der Generalsekretär des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft, Volker Meyer-Guckel, auf die zunehmend schwieriger werdenden Rahmenbedingungen für die Forschung in Deutschland. Dazu zählten vor allem Datenschutz, Tierschutz und Bürokratieaufwand generell. »Die Unternehmen gehen dorthin, wo sie freier forschen können«, sagte Meyer-Guckel. Daher habe beispielsweise Biontech seine Krebsforschung von Mainz nach Oxford verlagert. Ein ähnlicher Exodus drohe jetzt in der deutschen Batterieforschung.

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