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Sündenbock Ausländer
Jana Frielinghaus über die politische Debatte nach dem Anschlag von Magdeburg
Für einen kurzen Moment nach der Bluttat von Taleb A. in Magdeburg keimte Hoffnung auf, dass es zumindest innerhalb der sogenannten demokratischen Parteien mal keine politische Instrumentalisierung des Verbrechens geben würde. Sie starb schnell. Zwar sind konkrete Versäumnisse von Sicherheitskräften und Weihnachtsmarktveranstaltern wie eine viel zu breite Rettungsdurchfahrt und eine die Tat begünstigende Position eines Polizeiautos mittlerweile bekannt. Dennoch schallt aus allen Kanälen das alte Lied vom Ausländer als Gefährder. Der Background-Chor intoniert dazu: mehr Macht der Polizei, Vorratsdatenspeicherung, Lauschangriff.
Von Grünen über SPD, FDP und BSW bis hin zu CDU und CSU suggerieren alle: Wird mehr abgeschoben, dann passiert »so etwas« auch nicht mehr. Die CDU will dafür nach ihrer erwarteten Regierungsübernahme insbesondere die Paragrafen 53 und 54 des Aufenthaltsgesetzes weiter verschärfen. Dabei beinhalten diese bereits enorme Auslegungsmöglichkeiten, ab wann das öffentliche Interesse an der Ausweisung das persönliche Schutzinteresse überwiegt. Allerdings bietet das geltende Recht auch Ermessensspielräume zugunsten des Angeklagten. Die will die CDU laut Generalsekretär Carsten Linnemann abschaffen: Schon bei der zweiten »vorsätzlichen Straftat« solle »das Aufenthaltsrecht zwingend erlöschen«. Auch Bagatelldelikte wie das Fahren ohne Ticket sollen ins Sündenregister aufgenommen werden, sagte er am Montag. Das wäre allerdings nichts anderes als der Rechtsrahmen für die willkürlichen »Remigrationspläne« der AfD. Die kenne er gar nicht, behauptet Linnemann – und beruft sich auf das, was »die meisten Bürger« richtig fänden.
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