- Kommentare
- Rechtsextremismus
Österreich: Land der Lernresistenz
Sarah Yolanda Koss über neu-alte rechte Regierungen in Österreich
Murmeltiertag in Österreich. Fünf Jahre nach dem Ende der rechtsextrem-konservativen Regierung scheint es wieder so weit: Herbert Kickl, Obmann der rechtsextremen FPÖ und selbst ernannter »Volkskanzler«, erhält den Auftrag zur Regierungsbildung. Und die konservative Volkspartei (ÖVP) steht für eine Neuauflage von Schwarz-Blau in den Startlöchern.
ÖVP-Parteichef Christian Stocker hatte zwar noch vor, während und nach den Wahlen eine Koalition mit der Kickl-FPÖ ausgeschlossen. Das sieht nun, ganz in Tradition konservativer Wendehälse, anders aus. Schon 2000 hatte ein ÖVP-Chef die Unvereinbarkeit mit der FPÖ betont, nur um kurz darauf eine Regierung mit ihr auszurufen. Ähnlich lernresistent versuchte Bundespräsident Alexander Van der Bellen Kickl am Montag ins Gewissen zu reden. Zur Wirtschaft, die die FPÖ durch Sozialkürzungen antreiben will, zur EU, aus der Kickl austreten möchte, und zur »Freiheit der Medien«, die die FPÖ während ihrer letzten Regierungsperiode an eine russische Oligarchin verkaufen wollte. Was diese Gespräche mit jenem Mann wert sind, den Kickl noch vor Kurzem als »Mumie in der Hofburg« bezeichnet hatte?
Apropos Residenz des Bundespräsidenten. 2000 musste die konservativ-rechte Regierung wegen lauter Proteste einen unterirdischen Weg zur dortigen Angelobung wählen. 2017 begleiteten mehrere Demonstrationszüge den Beginn der schwarz-blauen Koalition. Am Montag protestierten einige Hundert Menschen gegen einen potenziellen Kanzler, der die Identitären als »NGO von rechts« bezeichnet. Die Resignation der Zivilgesellschaft ist Ergebnis jahrzehntelanger Normalisierung von Rechtsextremismus. Hierzulande sollte man daraus eine Lehre ziehen. Die Theorie der Entzauberung – sie ist grundfalsch.
Wir haben einen Preis. Aber keinen Gewinn.
Die »nd.Genossenschaft« gehört den Menschen, die sie ermöglichen: unseren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die mit ihrem Beitrag linken Journalismus für alle sichern: ohne Gewinnmaximierung, Medienkonzern oder Tech-Milliardär.
Dank Ihrer Unterstützung können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ Themen sichtbar machen, die sonst untergehen
→ Stimmen Gehör verschaffen, die oft überhört werden
→ Desinformation Fakten entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und vertiefen
Jetzt »Freiwillig zahlen« und die Finanzierung unserer solidarischen Zeitung unterstützen. Damit nd.bleibt.