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Asylrechtsverschärfung mit AfD-Hilfe
Union will Entschließungsanträge und Gesetzentwurf in Bundestag einbringen
Berlin. CDU und CSU haben die Gewalttat eines psychisch kranken Afghanen in Aschaffenburg zum Anlass genommen, Entschließungsanträge und eine Gesetzesinitiative für erneute drastische Verschärfungen der deutschen Asylregeln in den Bundestag einzubringen. Am Mittwoch will sich auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in einer Regierungserklärung zu Konsequenzen aus dem Messerangriff von Aschaffenburg und weiteren Gewalttaten von Migranten und Geflüchteten äußern.
Ebenfalls am Mittwoch will die Unionsfraktion zwei Anträge zur Migrationspolitik im Bundestag einbringen. Darin werden Verschärfungen entsprechend einem am Wochenende von CDU-Chef Friedrich Merz vorgestellten Fünf-Punkte-Plan aufgelistet, ein Beschluss dazu ist aber rechtlich nicht bindend.
Am Freitag wollen CDU und CSU einen Gesetzentwurf mit dem Titel »Begrenzung des illegalen Zustroms von Drittstaatsangehörigen nach Deutschland« wieder auf die Tagesordnung setzen. Vorgesehen sind darin mehr Rechte für die Bundespolizei bei Abschiebungen sowie ein Ende des Familiennachzugs für Geflüchtete mit sogenanntem subsidiärem Schutz. Im Aufenthaltsgesetz soll als Ziel eine Begrenzung des Zuzugs von Migranten festgeschrieben werden. Der Entwurf war bereits im September in den Bundestag eingebracht worden, könnte also relativ schnell beschlossen werden.
»Die Unionsanträge laufen auf die faktische Abschaffung des Grundrechts auf Asyl hinaus. Das ist verfassungswidrig und lässt sich nicht per Dekret verfügen.«
Olaf Scholz Bundeskanzler
AfD-Parlamentsgeschäftsführer Bernd Baumann wertete die mögliche Gesetzesverabschiedung als wichtige Etappe für seine Fraktion. Mit seiner Bereitschaft, Vorlagen im Plenum notfalls auch mit Stimmen der AfD verabschieden zu lassen, habe Merz »den Kern der Brandmauer eingerissen«, sagte Baumann am Dienstag. »Dahinter kann er nicht mehr zurück.« Die AfD-Fraktion beschloss am Dienstagnachmittag, beiden Anträgen und dem Gesetzentwurf zuzustimmen. Darüber, dass die Unions-Anträge auch kritische Passagen zur AfD enthalten, könne man hinwegsehen, sagte Fraktionschef Tino Chrupalla. Man sei »Schmerz« und »Beschimpfungen« gewohnt.
FDP-Chef Christian Lindner bekräftigte am Dienstag erneut, seine Fraktion werde den Vorhaben der Union zustimmen, auch gemeinsam mit AfD und BSW. BSW-Chefin Sahra Wagenknecht sagte am Dienstagnachmittag in Berlin, ihre Fraktion werde nur für das Zustrombegrenzungsgesetz stimmen, aber nach aktuellem Stand nicht für den Unionsantrag zum Fünf-Punkte-Plan gegen irreguläre Migration. Auch der Antrag der Union mit 27 Punkten zur inneren Sicherheit sei »für uns auf keinen Fall zustimmungsfähig«, so Wagenknecht.
Am Wochenende hatte Wagenknecht zu den Vorschlägen noch gesagt: »Wir werden zustimmen, aber die Merz-Anträge sind teilweise bloße Symbolik und werden das Problem nicht lösen.« Ohne die zehn Stimmen des BSW wird es für CDU/CSU schwieriger, eine Mehrheit im Bundestag zu finden. Da SPD und Grüne gegen die Unionspläne sind, würde es dafür selbst mit Stimmen von FDP, AfD und fraktionslosen Abgeordneten knapp.
Wagenknecht hatte am Wochenende auch die BSW-Forderung erneuert, nur noch jenen Personen ein Asylverfahren in Deutschland und Sozialleistungen zu gewähren, die nachweislich nicht über sichere Drittstaaten eingereist seien.
Kanzler Scholz (SPD) warnte Merz davor, ein Gesetz mit Hilfe der AfD durchzusetzen. Er zeigte sich in der ARD für Beratungen über ein gemeinsames Vorgehen zur Reform der Migrationspolitik offen. Die aktuellen Unionsvorschläge seien aber unausgegoren und liefen auf »die faktische Abschaffung« des Grundrechts auf Asyl hinaus, sagte Scholz der »Saarbrücker Zeitung« (Dienstagausgabe). »Das ist verfassungswidrig und lässt sich auch nicht einfach per Dekret verfügen.«
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Derweil forderten die Innenminister der Länder Konsequenzen im Umgang mit psychisch kranken Straftätern. Entsprechende Vorbereitungen müssten frühzeitig erkannt und Informationen unter den Behörden besser ausgetauscht werden, sagte Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD), der in diesem Jahr Vorsitzender der Innenministerkonferenz (IMK) ist, nach einer Videokonferenz mit seinen Amtskollegen am Montagabend. Ermittler sollten demnach neue Befugnisse zur Gesichtserkennung und zur Analyse von Daten mit Künstlicher Intelligenz erhalten. Außerdem müssten Sicherheits-, Gesundheits-, Ausländer- und Waffenbehörden künftig enger zusammenarbeiten.
Wie dies konkret umgesetzt werden soll, bleibt unklar. Bayern hatte nach Informationen des »nd« beispielsweise gefordert, in den Austausch zwischen Sicherheitsbehörden auch Geheimdienste stärker einzubinden. »Personenbezogene Verhaltensmuster und potentielle Risiken« müssten rechtzeitig erkannt, analysiert und bewertet werden, heißt es dazu in einem Beschlussvorschlag aus Bayern. Durchgesetzt hat sich offenbar die auch von den SPD-Ländern unterstützte Einführung von polizeilicher Gesichtserkennung im Internet. Die Innenminister bekräftigten am Montag entsprechende Forderungen aus ihrer Sitzung im Dezember nach einer leichteren Erfassung biometrischer Daten.
Bayerns Ressortchef Joachim Herrmann (CSU) – zugleich Sprecher der Unionsseite – kritisierte, dass mit den SPD-geführten Ländern in Fragen zur verstärkten Migrationsabwehr keine Einigung habe erzielt werden können. Die SPD wies das zurück. »Die Union war beim Thema Migration sehr hartleibig – nach dem Motto: Entweder wir schlucken ihre Vorschläge jetzt, oder es gibt keine Einigung«, kritisierte Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD). Die in der bayerischen Beschlussvorlage geforderte Zurückweisung aller Flüchtlinge an den Grenzen wertete Maier als rechtlich äußerst fragwürdig.
Auch die Verschärfung des Asylrechts sei Thema gewesen, sagte Mäurer. Die Länder möchten dazu aber den Verlauf der Debatten im Bundestag abwarten nd/Agenturen
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