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- Volksbühne Berlin
Der Edelpenner
Matthias Lilienthal wird die Intendanz der Berliner Volksbühne übernehmen
Wie üblich schlufft Matthias Lilienthal in Shirt und Trainingsjacke auf die Bühne, bei aller Freundlichkeit ist seine schnoddrige Art nicht zu verkennen und nun stellt er sich für das nächste Pöstchen vor. Als »Edelpenner« hatte sich der bestens bezahlte Kurator und Dramaturg einmal bezeichnet. Nun soll er die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz leiten, wie am Freitag in seinem Beisein Berlins Kultursenator Joe Chialo verkündet.
Mit der Spielzeit 2026/27 soll es losgehen. Lilienthal ist dann 66. Ein schönes Alter für Geruhsamkeit. Aber der theaterbesessene Westberliner denkt gar nicht daran. Nach einem abgebrochenen Langzeitstudium hatte er in den 80er Jahren zunächst am Wiener Burgtheater assistiert, ehe er Dramaturg am Theater Basel wurde. Seine nächste Station war die Berliner Volksbühne unter Frank Castorf.
2003 wurde er selbst Intendant, am frisch zusammengelegten HAU Berlin, wo er bis 2012 blieb, und übernahm dann die Leitung der Münchner Kammerspiele. Derzeit zeichnet er verantwortlich für das von den Berliner Festspielen organisierte Festival Performing Exiles und für die vom Hamburger Thalia-Theater ausgerichteten Lessing-Tage. Da fehlte der Chefposten am meistbeäugten Theater der Bundesrepublik noch in der Liste.
Künstlerisch steht er für eine internationale, transdisziplinäre Ausrichtung, für die Hinwendung zu Tanz, Performance und freier Szene – und auch akut unter Zeitgeistverdacht. Wer in den nun schon Jahre andauernden Debatten um die Zukunft der Volksbühne nicht mehr mitkommt, dem sei noch eins in Erinnerung gerufen: Auf die politisch gewollte Beendigung der Ära Castorf am Haus folgte die Installation des nicht ersehnten und bald davongejagten Kurators Chris Dercon, der die Volksbühne zur »Eventbude« umbauen wollte. Dessen prominentester Fürsprecher: Matthias Lilienthal.
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