Europas Linke: Getrennte Wege, gleiche Richtung

Die Existenz zweier europäischer Linksbündnissse beinhaltet sowohl Chancen als auch Risiken. Ein Kommentar

ELA-Kongress am Wochenende in Porto
ELA-Kongress am Wochenende in Porto

Mit ihrem ersten Kongress am Wochenende ist die European Left Alliance for the People and the Planet, kurz ELA, in die breite Öffentlichkeit getreten. Und dort will sie bleiben: In Porto kündigte die ELA verschiedene Kampagnen an, unter anderem eine zentrale zum Stopp des israelischen Vernichtungskriegs in Gaza, sowie für Frieden und Abrüstung. Mit ähnlichen Aktionen ist die Partei der Europäischen Linken (EL) bereits präsent. Das Bündnis mit mehr als 40 Parteien existiert seit mehr als 20 Jahren; einige der sieben ELA-Parteien hatten bis vor einigen Monaten selbst ihre politische Heimat in der EL. Nach Porto ist es nicht mehr wegzudiskutieren: Europas Linke ist gespalten.

Wo die Unterschiede zwischen EL und ELA liegen? In der Programmatik unterscheiden sich beide »Dachverbände« kaum. Der Kampf gegen die extreme Rechte und für Frieden, die Beendigung von Kriegen, für sozialen Fortschritt und Arbeitsrechte, Gleichberechtigung, Klimagerechtigkeit und Umweltschutz stehen bei beiden Bündnissen auf der Tagesordnung. Wenngleich nicht zu verkennen ist, dass insbesondere einige nordeuropäische ELA-Mitglieder eine deutlich konfrontativere Position gegenüber Wladimir Putins Russland einnehmen und auf eine auch militärische Unterstützung der Ukraine setzen, im Gegensatz zu anderen Linksparteien – sowohl in EL als auch in ELA.

Es sind eher strukturelle Probleme, die zu den getrennten Wegen geführt haben. Gerade große und erfolgreiche Parteien fühlten sich in der Europäischen Linkspartei mit deren gewachsenen Strukturen und der als undemokratisch empfundenen Besetzung von Führungsgremien nicht mehr heimisch. Inzwischen arbeitet die EL an einer Reformierung ihrer Strukturen und Arbeitsmechanismen.

Ob das doppelte Lottchen bei Europas Linken zu einer Schwächung oder sogar Stärkung führt, bleibt abzuwarten. Beides ist möglich. Denn einerseits führt eine faktische Spaltung – und daran gibt es in der Geschichte linker Bewegungen bekanntlich keinen Mangel – meist zu schwindendem Einfluss und verminderter öffentlicher Wahrnehmung. Andererseits könnten sich beide Parteienbündnisse durchaus ergänzen, sowohl bei der gemeinsamen Mobilisierung ihrer Mitglieder als auch der Abstimmung oder Verknüpfung von Kampagnen und politischen Initiativen.

Ob die jeweiligen Parteienfamilien zu letzterem bereit sind, ist offen. Möglich scheint es allemal: In der Linksfraktion des Europaparlaments arbeiten Abgeordnete, deren Heimatparteien in den verschiedenen Bündnissen organisiert sind, problemlos zusammen. Und an der Spitze von The Left stehen mit Manon Aubry und Martin Schirdewan zwei Politiker*innen, von denen die eine in ELA, und der andere in der EL zu Hause ist.

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