Führerschein in Berlin: Hauptstadt der Nicht-Besteher

Laut Tüv fällt jeder Zweite in Berlin durch die theoretische Führerschein-Prüfung. Damit ist die Bundeshauptstadt Schlusslicht

  • Patrick Volknant
  • Lesedauer: 3 Min.
Der begehrte »Lappen«: Für manche wird die Jagd auf den Führerschein zur Tortur.
Der begehrte »Lappen«: Für manche wird die Jagd auf den Führerschein zur Tortur.

Nur in Sachsen-Anhalt ist die Quote so schlecht wie in Berlin: Beinahe jeder Zweite, der in der Hauptstadt die theoretische Führerscheinprüfung antritt, fällt durch. Das ergibt eine Datenauswertung für das Jahr 2024, die der Tüv-Verband am Dienstag veröffentlicht hat.

Von 88 877 theoretischen Prüfungen, die im vergangenen Jahr für die Allgemeine Fahrerlaubnis in Berlin durchgeführt wurden, endeten exakt 50 Prozent ohne Erfolg. Bundesweit liegt die Scheiter-Quote mit 45 Prozent deutlich niedriger. Nichtsdestotrotz verbucht die Hauptstadt damit einen kleinen Fortschritt im Vergleich zum Vorjahr: 2023 lag der Anteil nicht-bestandener Theorieprüfungen noch bei 52 Prozent.

Immerhin, was praktische Fahrprüfungen angeht, bewegt sich Berlin nicht unter den schlechtesten drei. Hier scheiterten im vergangenen Jahr 43 Prozent der Fahrtests, von denen insgesamt 61 676 durchgeführt wurden. Im Vergleich zu den Statistiken für 2023 bedeutet das einen Zuwachs von zwei Prozent. Die meisten Prüfungsflops haben das Saarland und Thüringen (44 Prozent), Sachsen-Anhalt (45 Prozent) und Hamburg (48 Prozent) zu beklagen. Der Bundesschnitt liegt bei 37 Prozent.

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Immer wieder ließen sich bei praktischen Prüfungen in den Stadtstaaten Berlin und Hamburg etwas schlechtere Ergebnisse als im Bundesdurchschnitt beobachten, sagt Richard Goebelt, Ko-Geschäftsführer beim Tüv-Verband. Dies liege womöglich an dem dynamischeren Verkehrsgeschehen auf den Straßen der Großstädte. »Ansonsten gibt es auch keine wissenschaftlichen Untersuchungen, warum in dem einen Bundesland die Besteher-Quoten vielleicht zwei Prozent besser sind als in dem anderen Bundesland.«

Auch in Brandenburg gibt es nach Tüv-Angaben Verbesserungspotenzial. Mit 48 Prozent gescheiterten Pkw-Theorieprüfungen schneidet Berlins Nachbar am bundesweit drittschlechtesten ab. Bei der praktischen Fahrprüfung kommt Brandenburg genauso wie die Hauptstadt auf 43 Prozent. Deutschlandweit handelt es sich bei jeder dritten Prüfung um eine Wiederholungsprüfung. Unter 18-Jährige schneiden sowohl in Theorie als auch in Praxis deutlich besser ab als andere Altersklassen.

Große Sorge macht dem Tüv die deutschlandweit steigende Anzahl von Betrugsversuchen. Hier meldet der Verband eine Zunahme um zwölf Prozent im Vergleich zum Vorjahr und warnt vor einem immer professionelleren Vorgehen. Demnach waren 58 Prozent der Täuschungen Fälle, in denen Stellvertreter*innen mit gefälschten Ausweisdokumenten am Prüfungsort auftauchten oder technische Mittel wie intelligente Brillen einsetzten.

Der Tüv fordert stärkere Konsequenzen für professionelle Tricksereien. »Aus unserer Sicht muss der Sanktionsrahmen deutlicher ausgeschöpft werden«, sagt Goebelt. Bis auf den Identitätsbetrug werde keiner der Täuschungsversuche als Straftat oder Ordnungswidrigkeit gewertet. Auch eine Prüfung der grundsätzlichen Fahreignung mithilfe einer MPU hält Goebelt für möglich, wenn Fahrschüler*innen von vornherein kein Interesse an der Verkehrsordnung zeigen würden.

In ganz Deutschland stellte der Tüv fast 4200 Betrugsversuche fest. In Berlin bleibt die Anzahl der aufgedeckten Theorie-Täuschungen vergleichsweise hoch: 399 Fälle im vergangenen Jahr entsprechen etwa 0,4 Prozent aller Prüfungen in der Hauptstadt – doppelt so hoch wie die Quote im Bund. »In Berlin gibt es statistisch gesehen keinen Tag, an dem nicht ein Täuschungsversuch aufgedeckt wird«, sagt Goebelt.

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